Was sagen die alten Quellen wirklich über die Kundalini? Inwieweit beruhen unsere heutigen Vorstellungen auf Missverständnissen, und warum ist das Thema so schwer zugänglich? – Fundierte Einblicke!
Durch das Herabsteigen der oberen Kraft, das Zusammenziehen der unteren Kraft und das Erwachen der zentralen Kraft entsteht die höchste Freude.
Amaraugha-śāsana, Goraksha (7. Jh. n.u.Z.) zugeschrieben
Die Frage, was denn eigentlich kuṇḍalinī ist, ist im Grunde genommen unmöglich zu beantworten. Nachdem das Wort im allgemeinen westlichen Sprachgebrauch angekommen ist, nutzt jede und jeder es heutzutage so, wie es am besten in den eigenen Kontext passt. Wir verstehen unter diesem Namen sowohl eine eigenständige Gottheit, die als Synonym für den Ursprung der Sprache und der ganzen Welt gilt, als auch Energie in unterschiedlichsten Formen und Wahrnehmungsszenarien, und nicht zuletzt eine Art spirituelle Kraft, die im Zusammenhang mit Erwachen steht.
kuṇḍalinī hat also mit dem Energiekörper zu tun, ähnlich wie cakras (Energiezentren), nāḍīs (Energiebahnen), vāyus (Winde) und weitere. (Übrigens liegt die traditionell richtige Betonung des Wortes auf dem hinteren „i“, nicht in der Mitte.) Diese Vorstellungen und Modelle des Energiekörpers haben keine exakte Entsprechung in uns bekannten medizinisch-anatomischen Strukturen. Weder Energiebahnen noch Energiezentren sind so etwas wie sezierbare Organe. Es geht auch nicht um bestimmte mystische Wahrnehmungsarten, die nur darauf warten, dass jemand sie erkennt und dadurch Befreiung und Erwachen erlangt – so sehr wir uns das vielleicht auch wünschen. Energie ist in jeder Erscheinungsform eine fließende Realität. Energie-Übungen sind vielmehr Elemente der Praxis; sie sind also Prozesse, keine Dinge. Die richtige Frage lautet daher: Was macht man mit ihnen? Ohne die Auseinandersetzung mit ihnen, die wir im Yoga sādhanā nennen, ist es einfach sinnlos zu fragen, was sie sind! Selbst wenn man kuṇḍalinī als Energie definiert, wie es die meisten Menschen heute tun, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Energie niemals als Ding an sich existiert, sondern nur als Eigenschaft eines aktiven Systems, das etwas vollbringt, das sich beobachten lässt.
Woher kommt das Wort kuṇḍalinī?
Kehren wir also an den Anfang zurück und erforschen dieses scheinbar undurchdringliche Thema gemeinsam. kuṇḍalinī stammt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie „die Gewundene“. […]