In den letzten Ausgaben wurden verschiedene Meditationswege vorgestellt. Heute möchte ich mich einer Bildserie widmen, die im Zen-Buddhismus verwendet wird, um den Prozess zu beschreiben, den wir durchlaufen, wenn wir einem spirituellen Weg folgen: den so genannten Ochsenbildern. Dabei handelt es sich um zehn Zeichnungen, die zum einen den Zen-Weg als Lebensweg darstellen, den wir im Idealfall beschreiten, wenn wir uns einer spirituellen Praxis hingeben. Und zum anderen verdeutlichen diese Darstellungen die verschiedenen Versenkungsstufen des Geistes, wie sie in einem einzelnen Sesshin oder einem Retreat durchlaufen werden können. Die Ochsenbilder beschreiben den spirituellen Weg als eine Suche nach dem Ochsen, als Finden des Tieres und als seine Zähmung. Am Ende verschwinden sowohl der Ochse als auch der Mensch, so dass der Praktizierende als Erwachter, als Buddha, auf dem Marktplatz des Alltags landet. Dort lebt er sein Leben unter der Überschrift: „Vor der Erleuchtung Wäsche waschen. Nach der Erleuchtung Wäsche waschen.“
Die zehn Motive haben folgende Überschriften:
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Die Ochsenbilder spiegeln die Versenkungsstufen und den zehnfachen Bodhisattva-Pfad des Spätbuddhismus wider, bei denen es darum geht, das wahre Selbst, das auch als das Absolute bezeichnet wird, zu finden. Allerdings handelt es sich nicht um ein kognitives Verstehen oder eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Meditation oder dem Selbst. Die Ochsenbilder wollen den Menschen motivieren, sich selbst auf den Weg zu machen. Sie laden uns ein, zu praktizieren, um uns dabei wiederzufinden. Der Ochse ist hier eine Metapher für unser Selbst, unsere Essenz, unser innerstes Wesen, unsere Buddha-Natur.
Aber wann machen wir uns auf den Weg? Wenn wir erkennen, dass wir uns von uns selbst entfremdet haben und nur noch im Hamsterrad des Alltags funktionieren. Wir spüren, dass uns etwas fehlt: der Zugang zur eigenen Essenz. Noch wissen wir nicht, wie der Weg genau aussieht, und was uns dabei begegnen wird. Aber wir spüren, dass diese Sehnsucht einem Weckruf gleicht und wir nicht mehr umkehren […]