Existenzielles Staunen über das Leben – von der Kostbarkeit des Entzückens.
Vielleicht ist es der Tautropfen auf einem Grashalm, eine Wolkenformation am Himmel, ein Vogel, der wie aus dem Nichts sein zartes Lied anstimmt. Oder der kaum sichtbare Abdruck eines Lippenstifts auf einer einsamen Kaffeetasse. Etwas berührt uns, lässt uns innehalten, versetzt uns in Erstaunen. Plötzlich ist da eine ganz bestimmte Qualität der Wahrnehmung, wir sind ganz da – lebendig, zeitlos, bewusst.
Es sind Momente des Entzückens, der Verzückung sogar; ja, der Verzauberung. Doch ist damit keine Verzauberung gemeint, der kalkulierte magische Handlungen zugrunde liegen, sondern vielmehr entfaltet sich hier der Zauber des Daseins – der Zauber der Natur, der Zauber des Augenblicks oder einer bestimmten Situation.
Aufnahmefähig für die Wunder der Welt sein
Wir betrachten die Welt die meiste Zeit sehr nüchtern – zwischen To-do-Listen, vollen Terminkalendern und den Herausforderungen des Alltags verlieren die meisten von uns das Empfinden von Entzücken und Verzauberung weitestgehend aus ihrem Leben. Während wir eine gewisse Nüchternheit im Sinne eines sachlichen Blicks auf die Ereignisse in der Welt und im Sinne einer bodenständigen Herangehensweise auch durchaus brauchen, ist es zugleich von großer Bedeutung, nicht denjenigen Teil unserer Existenz zu vernachlässigen, der uns beflügelt und unsere Seele nährt. Dazu gehören zum Beispiel Träume, das Eintauchen in Geschichten, Fantasie. Und dazu gehört auch das unmittelbare Erleben des Moments, das Erkennen seiner Kostbarkeit – ein Erkennen, das sich in jeder feinsten Faser des eigenen Seins vollzieht.
Viele Menschen sind sich im Allgemeinen darüber bewusst, dass sie nur selten wahrhaftig im Hier und Jetzt präsent sind, besuchen sogar Seminare, um es wieder zu erlernen. Es ist jedoch schwer, den gegenwärtigen Moment mit seiner Besonderheit und seiner Fülle nicht aus den Augen zu verlieren, wenn der Blick permanent zum Smartphone geht und im Kopf die Gedanken rasen. Oft sind es die grellen Reize, die kurz die Aufmerksamkeit erheischen – vielen vermitteln sie den Eindruck, „etwas zu erleben“. Glitter und Pomp, Show-Effekte und Spektakel haben jedoch nicht die Kraft in sich, echtes Entzücken hervorzurufen. Sie mögen vielleicht auf einer oberflächlichen Ebene Eindruck schinden, doch letztendlich paralysieren sie uns eher, als dass sie uns verzaubern könnten. Diese künstlich „aufgebauschten“ Dinge lassen uns ernüchtert zurück, denn wir können dazu nicht wahrhaftig in eine reziproke Beziehung treten, und […]