Das göttliche Leben im Alltäglichen verwirklichen – der yogische Pfad nach Sri Aurobindo, dessen Vision die Transformation und spirituelle Evolution der Menschheit war.
Der bekannte indische Mystiker und Yogi Aurobindo Ghose, geboren 1872 in Kalkutta, wuchs in Manchester auf, studierte Griechisch, Latein und Englisch sowie weitere europäische Sprachen. Seine Muttersprache Bengalisch lernte er erst viele Jahre später, nachdem es ihn zurück in seine geliebte Heimat zog und er sich politisch für die Befreiung Indiens einsetzte. „Im Alter von elf Jahren hatte Aurobindo bereits den Eindruck gewonnen, dass eine Zeit allgemeiner Umwälzung und großer revolutionärer Wandlung in der Welt bevorstehe und er selbst dazu ausersehen sei, dabei eine Rolle zu spielen.“ (Sri Aurobindo: Über sich selbst. Aus Aufzeichnungen und Briefen, Hinder + Deelmann Verlag, S. 14)
Aurobindo war Philosoph, Autor, Politiker, Revolutionär, aber eben auch ein verwirklichter spiritueller Lehrer, Mystiker und Yogi. Wahrscheinlich ist es die Summe all dieser unterschiedlichen Erfahrungen, die seine Sichtweise so ganzheitlich gemacht hat. Seine Art und Weise, die alten yogischen Weisheiten zu beleuchten, ist glasklar. In seinen Briefen beschreibt er die Herausforderungen des spirituellen Lebens und beantwortet die Fragen seiner Schüler. Seine Antworten sind dabei immer nah am Leben. Sie sind höchst spirituell, aber nicht abgehoben, sondern ins alltägliche Leben integrierbar. Hierin wird auch seine Kernbotschaft deutlich: Es geht ihm darum, zu zeigen, dass es möglich ist, das Göttliche in der Welt zu offenbaren und göttliches Leben in der materiellen Welt zu schaffen.
Das göttliche Leben
Aurobindo schafft es, die Zusammenhänge von spirituellem Leben und weltlichem Alltag miteinander in einen harmonischen Einklang zu bringen. Bevor wir uns nun näher mit dem „Wie“ beschäftigen, ist es wichtig zu klären, was der Begriff des Göttlichen bedeutet. Denn unser heutiges Verständnis davon wird der universellen Sichtweise der yogischen Philosophie offensichtlich nicht gerecht. Wenn Aurobindo oder das yogische Philosophiesystem von „Göttlichkeit“ sprechen, dann meinen sie damit eine universelle, ganzheitliche, ewig währende und unveränderliche Kraft. Im Yoga nutzt man dafür auch den Begriff Purusha. Es ist die universelle Kraft, die niemals stirbt und niemals geboren wird, aber auf ewig ist. Wir Menschen und der ganze Kosmos sind ein manifestierter Ausdruck dieser unendlichen essenziellen Kraft. Wir sind Purusha und leben als Ausdrucksform dieser Kraft in der Welt. Die Welt mit allem, […]