Atem und Leben, dargestellt aus physiologischer Sicht.
Mit jedem Atemzug tauschen wir einen Anteil der Luft in unserer Lunge aus. Dort strömt das Blut an der riesigen Oberfläche von etwa 300 Millionen Alveolen (Lungenbläschen) vorbei und wird so per Diffusion mit Sauerstoff aus der Atemluft aufgeladen und gibt umgekehrt Kohlendioxid an diese ab. Über das Blut wird der Sauerstoff weiter zu den Zellen unseres Körpers transportiert. Dort ist er nötig, um Energiespeicherstoffe wie Fette, Zucker oder Glykogen zu verbrennen und somit Energie für alle Stoffwechselvorgänge und letztendlich für das Leben überhaupt zu liefern. Das aus dieser Verbrennung entstehende Kohlendioxid wird wieder an das Blut abgegeben und so zu den Lungen transportiert.
Diese physiologische Beschreibung mag uns an die Quelltexte des Hatha-Yoga erinnern. Dort wird beschrieben, wie über den Atem Prana, die Lebensenergie, in uns gelangt. Sie durchströmt den gesamten Körper und ist die Basis für das Leben. Atem und Leben werden so in der Hatha-Yoga-Pradipika zu Synonymen.
Atem und Stoffwechsel
Je aktiver unsere Zellen sind, desto mehr Energiespeicherstoffe und Sauerstoff verbrennen sie. Wenn wir beispielsweise eine Treppe erklimmen, so benötigen die Muskeln in den Beinen mehr Energie und damit mehr Sauerstoff. Um diesen Mehrbedarf zu decken, vertieft und beschleunigt sich unser Atem. Gesteuert wird dies durch komplexe, unbewusst verlaufende Regulationsmechanismen, und so fällt uns die vertiefte Atmung meist erst auf, wenn wir bereits oben angekommen sind. Umgekehrt verlangsamt und verflacht sich unsere Atmung, je mehr wir zur Ruhe kommen. Dann wird unser Gehirn mit einem Anteil von etwa 20 % zum wichtigsten Energieverbraucher. Unsere mentale Anspannung beeinflusst nun unseren Atem wesentlich mit. Wenn wir unter Stress stehen, wird unsere Atmung schnell und hektisch. Kommen wir hingegen mit unseren Gedanken zur Ruhe, so verlangsamt sich unser Atem noch weiter. Im Zustand tiefer Meditation schließlich scheint unser Atem fast vollständig verebbt zu sein – körperliche und mentale Aktivität sind dann zu einem Zustand tiefer Ruhe gelangt.
Den Atem verlangsamen – Kevala-Kumbhaka
Doch der Atem unterliegt nicht nur der oben beschriebenen unbewussten Steuerung. Wir können auch bewusst auf unseren Atem Einfluss nehmen. Nun arbeitet der Regelmechanismus in genau umgekehrte Richtung: Wir begeben uns körperlich in eine ruhige Position, lassen unseren Atem verebben und […]