Nathalie Delay steht in der Tradition des non-dualistischen kashmirischen Tantra-Yoga und ermutigt ihre Schüler in einem direkt aus dem Herzen entstehenden Kontakt zu einem mutigen „Ich weiß nicht“. Im YOGA-AKTUELL-Interview spricht sie über Angst als Tür zur Liebe, über die Intimität der wahren Empfindung und über die Endlosigkeit des Erkennens.
Nathalie Delay wird „Meisterin der Stille“ genannt. Sie lehrt vor allem durch ihre Präsenz, die auch ihre Schüler in eine tiefe innere Stille zu führen vermag. Die Französin gilt als erwacht und wurde in die Jahrtausende alte Tradition des kaschmirischen Shivaismus eingeweiht. Zu ihren Lehrern zählten die Tantra-Meister Daniel Odier und Eric Baret. Die Tantra-Lehren kommen in Nathalie Delays Seminaren und Retreats aber gar nicht explizit vor. Durch eine sehr einfache, fast poetische und in totaler Präsenz ausgeübte Yogapraxis führt Nathalie Delay ihre Schülerinnen direkt zur Essenz – schnörkellos, kristallklar und ohne jede Ideologie.
Im Interview spricht Nathalie Delay über die Totalität der Liebe, über wahrhaftige Begegnungen mit der Angst und über die Kunst als Tor zum Absoluten.
Wenn du die Tür zum Absoluten aufstößt, wirst du feststellen, dass es keine Person gibt, die etwas erschaffen könnte. Es gibt nur einen einzigen Schöpfer – du kannst ihn nennen, wie du willst: Bewusstsein, Shiva, Gott, Liebe. Je mehr du dich von der Idee befreist, jemand zu sein, desto ungehinderter kann sich dieser universelle Schöpfer durch dich zeigen.
YOGA AKTUELL: Nathalie, du regst in deinem Unterricht dazu an, nichts erreichen zu wollen, sondern ohne inneren Kommentar zu erforschen und sich dem hinzugeben, was im Moment ist. Es ist eine sehr minimalistische und subtile, gleichzeitig aber intensive Yogapraxis. Wie ist dein Zugang zum Yoga entstanden?
Nathalie Delay: In dreißig Jahren persönlicher Erfahrung habe ich nicht nur klassischen Yoga praktiziert, sondern auch Tai Chi, Qi Gong und Feldenkrais. Ich habe entdeckt, dass es bei all diesen Übungswegen in der Essenz um Bewegungen in voller Präsenz geht, und nicht um das Resultat. Es geht um Bewegungen, die von Bewusstheit getragen sind. Die klassische Praxis lockt uns oft in die Falle, nur den formalen Aspekt zu sehen, zu verfolgen. Auch die schönste Tradition verführt dazu, an der äußeren Form anzuhaften. Was ich zu lehren versuche, ist, nicht den Zugang zur Form zu […]