Ein offener Brief an den Journalisten Matthias Matussek, bezugnehmend auf eine Facebook-Diskussion: Warum eine Gottsuche mit starren Glaubensgrundsätzen nicht funktioniert.
Sufismus gibt es das Prinzip des Iman. Das ist der alles entscheidende Punkt, an dem durch eine ekstatische Erfahrung „Glaube“ zu Gewissheit wird, zu verfeinerter Emotion, zu höherer Intuition. Dabei zieht die betreffende Person intuitive Signale und Signifikanten in Betracht, die Grundmotivation des Betreffenden wird radikal verändert: Durch die Erfahrung des Hal (arab. d. inneren Raumes) wird der profane Egoismus zerstrahlt. Der Vorgang kann schlagartig eintreten oder sich über mehrere Inkarnationen hinziehen. „Werden wir einen Fürsprecher finden, oder werden wir wieder zurückgeschickt ins Leben, um andere Werke zu vollbringen, als die, welche wir früher vollbracht haben.“ Qur´an, Sura 7, Vers 54.
Gott sei subtil, sagte Sri Aurobindo. Dient Religion allerdings dem sozialen Spiel, so wird sie von der niederen Triebseele (Sanskr: prakrti) gesteuert und verliert diese Subtilität; sie kann somit nicht zu einer spirituellen Erfahrung werden. Die Trance, andererseits, so bescheiden sie sich ausnehmen mag – auch bescheiden sein mag, ist echt. So wie ein gewisser Jesus sagte: „Sagst du das aus dir selbst oder haben Andere es dir gesagt?“
„Ohne Glauben geht es nicht!“ hast Du behauptet. Dann hast Du mich über Yoga belehrt. Und gesagt, mein Kommentar sei Quatsch. Darf ich fragen, was Du beispielsweise im Winter 1971/72 gemacht hast, als ich im Sri Aurobindo Ashram Pondicherry Integralen Yoga studierte, den psychologischen, den philosophischen und den mystischen Aspekt des Yoga? Wenn du sagst, Yoga sei lediglich eine Technik, dann darf ich anmerken, dass auch die Zehn Gebote als eine Yogatechnik betrachtet werden könnten, ja sollten – in diesem Zeitalter der Technologie, dazu angetan, durch tägliche Übung und Disziplin die Biologie des Suchenden zu transformieren: Das ist Yoga. Es gibt nämlich für jeglichen Geistes- oder Gemütszustand eine Entsprechung in der körpereigenen Biologie: den Muskeln, Sehnen, Nerven, Zellen, Hormonen. Findet andererseits das religiöse Ideal keine Entsprechung im Körper, so entsteht ein Missverhältnis, ein Zwiespalt hinsichtlich der Zehn Gebote, der nur wieder neue Schuldgefühle produziert. Von solchen Schuldgefühlen, muss ich Dir leider sagen, hat sich das Christentum im Laufe von zweitausend Jahren genährt und ernährt. Der indische Sadhu beispielsweise sagt: Du kannst Sex gerne als Zeitvertreib nutzen, allerdings muss ich dich darauf […]