Warum uns vegane Ernährung nicht automatisch zu gewaltfreien Menschen macht.
Eins vorweg: Ich bin keine Gegnerin veganer Ernährung. Ganz im Gegenteil: Ich halte es für gut und klug, möglichst wenig tierische Produkte zu sich zu nehmen – aus ökologischen Gründen, aus Umwelt- und Tierschutzgründen und im Hinblick auf den Welthunger. Für manche Menschen kann der vollständige, dauerhafte Verzicht auf tierisches Eiweiß die richtige Ernährungsform sein, für manche bedeutet er sogar Heilung. Nichts davon will ich infrage stellen. Was mir aber Stirnrunzeln bereitet, sind die Vehemenz und Ausschließlichkeit, mit der in letzter Zeit vegane Ernährung auf ein Podest gestellt wird – und die Einseitigkeit der Argumente. Endgültige Antworten auf dieses vieldiskutierte Thema habe auch ich nicht. Aber eine Menge Fragen.
Zum Beispiel: Ist Veganismus tatsächlich eine gewaltfreie Lebensform, wie gerne behauptet wird? Was bedeutet es denn wirklich, „nur“ Pflanzen zu töten und keine Tiere? Warum glauben wir zu wissen, Pflanzen würden nicht leiden, wenn ihnen das Leben genommen wird – wenn sie geerntet, zerschnitten, gekocht und gegessen werden? Können wir eine Leidensfähigkeit bei Pflanzen sicher ausschließen? Nur weil sie keine Augen haben, sich nicht streicheln lassen, uns nicht anschauen oder anbellen – kurz: nicht mit uns auf eine Weise kommunizieren, wie wir das gewohnt sind? Wenn wir etwas nicht wahrnehmen, nicht sehen oder hören können – also nicht erkennen! –, bedeutet es noch lange nicht, dass es nicht existiert. Ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, ausschließlich Menschen und Tieren die Fähigkeit zum Leiden zuzusprechen. Wir sollten es vielmehr grundsätzlich für möglich halten, dass Pflanzen ebenso leiden. Vielleicht nur mit anderen Sinnen, Organen oder „Instrumenten“, die wir (noch) nicht kennen.
Auch Pflanzen haben ein Existenzrecht
„Mögen alle Wesen glücklich sein“, lautet ein buddhistischer und auch yogischer Grundsatz. Wo steht geschrieben, dass damit nur Wesen mit Augen, Beinen und Fell gemeint sind? Meines Wissens ist unter „Wesen“ alles zusammengefasst, was lebt. Also auch Pflanzen. Und über Pflanzen wissen wir viel zu wenig. Dabei sollten wir diesen Wesen zutiefst dankbar sein, denn sie ermöglichen erst unsere Existenz: Pflanzen stehen nicht nur in allen Nahrungsnetzen immer an der Basis, sie haben auch durch ihren Stoffwechsel die sauerstoffhaltige Atmosphäre unserer Erde – die wir zum Atmen brauchen – […]