Sowohl im Yoga als auch im tibetischen Buddhismus wird gerne mit den feinstofflichen Ebenen des Körpers gearbeitet. In den hundert Verse des Goraksha, einem frühen Text aus dem Hatha-Yoga aus dem 11. Jahrhundert, spricht man von einem energetischen Zentrum, dass sich im Bereich des Bauchnabels befindet. Kanda, so heißt dieses Zentrum, hat die Form eines Eis. Im Text heißt es, dass dort zahllose Ströme von Lebensenergie entspringen und den ganzen Körper durchziehen. Wenn sie verunreinigt sind oder Blockaden den Fluss der Energie verhindern, kann es zu gesundheitlichen oder mentalen Problemen kommen.
Atem-Übung für die Energiekanäle
Für die folgende Atemübung sind jedoch nur zwei dieser Energiekanäle von Bedeutung: Pingala transportiert Sonnenenergie, Ida leitet die Mondenergie durch den Körper.
Der Pingala-Strom fließt durch das rechte Nasenloch. Er steht für die rechte Körperseite und steht weiter für die aktive Energie und der Kreativität, er wird der Sonne und Yang zugeordnet.
Ida steht in Verbindung mit der linken Körperhälfte. Dieser Energiekanal wird dem Mond zugeordnet und repräsentiert die stille, dunkle und kühle Seite in uns. Er steht auch für das Loslassen, für Yin und für das Absorbierende. Er repräsentiert das Introvertierte, das Ruhige und den Mond.
Das Bild von Sonne und Mond spiegelt sich auch im Begriff Hatha wider. Wobei Ha für die Sonne und Tha für den Mond steht. Die folgende Atemübung bringt Sonne und Mond, Yin und Yang, Aktivität und Ruhe in uns in eine Balance.
Die verschiedenen Qualitäten von Ida und Pingala
- Pingala: Sonne, männliches Prinzip, steht für Wärme. Wirkt besonders auf den Thalamus, der sich durch seine zahlreichen Verbindungen zur Großhirnrinde auszeichnet und das Denken unterstützt. Steht für die rechte Körperhälfte, Yang, Aktivität, Sympathikus, es ist eine nach außen gerichtete Qualität.
- Ida: Mond, weibliches Prinzip, steht für die linke Körperhälfte. Repräsentiert das Kühle, Kreativität, Ruhe, Entspannung. Wirkt besonders auf den Hypothalamus und die Hypophyse. Steuert Wachstumshormone und unterstützt Stoffwechselprozesse, die für die Regeneration und den Aufbau von Körpergewebe zuständig sind. Ida symbolisiert den kontemplativen Moment.
Reinigungs-Atemübung mit Ida und Pingala
1. Runde:Du schließt mit dem Zeigefinger der rechten Hand das linke Nasenloch und atmest sanft und bewusst über das rechte Nasenloch ein. Dann schließt du das rechte Nasenloch und atmest links aus. Diese Atmung wiederholst du insgesamt dreimal. Wechsel dann die Seiten: Verschließ das rechte Nasenloch und atme über die linke Seite ein, verschließ dann das linke Nasenloch und atme rechts aus. Atme so dreimal. Und schließlich atme dreimal durch beide Nasenlöcher ein und aus. 2. Runde:Dann kannst du die Übung wiederholen. Verschließ das linke Nasenloch und stell dir vor, wie du durch das rechte Nasenloch die guten, stärkenden und nährenden Qualitäten aller Buddhas einatmest. Durch das linke Nasenloch atmest du Traurigkeit, Wut und Zorn aus. Mach auch wieder das dreimal. Verschließ dann das rechte Nasenloch und atme links ein. Stell dir auch hier vor, dass du die positiven Qualitäten aller Buddhas einatmest. Solltest du dich eher zu den yogischen Gottheiten hingezogen fühlen, so kannst du ihre Qualitäten einatmen. Falls du sogar einen „Lieblingsgott“ oder eine „Lieblingsgöttin“ haben solltest, dann nimm mit der Einatmung die besonderen, aufbauenden Qualitäten dieser Gottheit auf. Atme durch das rechte Nasenloch dann Unruhe, Ungeduld oder jene Qualitäten aus, die dir das Leben gerade ein bisschen schwer machen. Atme dann durch beide Nasenlöcher ein und stell dir vor, dass du die ganzen positiven Qualitäten aller Buddhas oder Devas einatmest und Unwissenheit ausatmest. 3. Runde:Beim dritten Mal kannst du dir dann überlegen, ob du dich nur auf den Atem konzentrierst und dir vorstellst, dass bei den ersten drei Atemzügen Pingala aktiviert, stimuliert und gereinigt wird, indem du das linke Nasenloch verschließt und über rechts einatmest. Und dann atme dreimal durch Ida ein – mit der Idee, die Qualitäten von Ida zu stärken oder zu reinigen und zu balancieren. Und wenn du dann durch beide Nasenlöcher einatmest, stell dir vor, wie du beide Bereiche in ein Gleichgewicht bringst und ausatmend, alles, was im Ungleichgewicht war, deinen Körper verlässt. Diese Übung eignet sich perfekt vor der Meditation, da sie eine sehr beruhigende Wirkung hat. |
Hier findest du die geführte Anleitung zur Atemübung