Wie Yoga Betroffene darin unterstützen kann, besser mit den Eindrücken lebensbedrohlicher Erfahrungen aus der Vergangenheit zu leben – ein Interview mit dem Experten Joachim Pfahl.
In den letzten Jahren haben zahlreiche Untersuchungen deutlich gemacht, dass traumatische Erfahrungen weiter verbreitet sind, als bislang angenommen. Bereits ein Fahrradunfall in der Kindheit kann sich in unserem Nervensystem genauso unbemerkt einfrieren wie problematische Familienverhältnisse oder Terroranschläge. Traumasensibles Yoga ist hier eine wundervolle Möglichkeit, um neues Vertrauen in die Selbstermächtigung zu erlangen und den Körper wieder nach und nach mit viel Liebe und Selbstmitgefühl zu bewohnen. Der Meditations- und Yogalehrer Joachim Pfahl arbeitet seit gut vier Jahrzehnten mit traumatisieren Menschen und weiß, was Betroffene brauchen.
Wenn eine Erinnerung an das Unfallgeschehen möglich ist, beginnen wir mit der Frage, wo es im Körper gespürt wird. So kommen wir unmittelbar mit den Abspeicherungsorten in Kontakt. Dies bedarf der Begleitung.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Als Erstes eine kurze Begriffsklärung: Wie definierst du Trauma?
Joachim Pfahl: Ein Ereignis oder eine Summe von Ereignissen, die als existenzielle Bedrohung wahrgenommen wurden, und damit das Erleben einer Diskrepanz zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten. Auslösende Faktoren können Kriegserfahrungen, Flucht, politische Verfolgung, Terroranschläge, Missbrauch (sexueller, physischer oder psychischer), Vernachlässigung, schwere Unfälle, lebensbedrohliche Erkrankungen oder problematische Familienverhältnisse sein.
Die Auswirkungen von Traumatisierung führen häufig dazu, sich vom Leben abgeschnitten zu fühlen, nicht da, nicht präsent zu sein.
Gibt es verschiedene Arten von Traumata?
Heutzutage wird zwischen einem Mono-Trauma, das einen einzelnen Auslöser wie etwa einen Unfall oder eine Naturkatastrophe hat, und komplexer Traumatisierung unterschieden. Bei komplexer Traumatisierung sind es wiederholte oder mehrere verschiedene Ereignisse, die als existenzielle Bedrohung wahrgenommen werden.
Wenn sich die Symptome einer Traumatisierung nicht innerhalb eines halben Jahres erheblich verbessern bzw. ganz verschwinden, spricht man von einer PTBS, einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Wo setzt Traumasensibles Yoga an?
Wichtig ist, dass Traumsensibles Yoga nicht eine weitere neue Yogaform ist, sondern die Sensibilisierung dessen, was wir aus unseren jahrzehntelangen Erfahrungen als Empfehlung sehen, wenn wir Yoga und Meditation mit traumatisierten Menschen, mit psychisch Kranken generell oder mit Burnout-Betroffenen praktizieren wollen.
Es haben sich Leitlinien herausgebildet, die damit beginnen, dass die Yogapraxis nicht leistungsorientiert, sondern wahrnehmungsorientiert sein sollte. Das beinhaltet dann auch, […]