Der Mantra-Musiker und Yogalehrer Johannes Vogt hat mit Matthias Schreiber und weiteren Freunden einen wunderbaren Lichtblick für den Herbst parat: das Reggae-Mantra-Album: „Jaya!“. Beim Hören wird das Herz weit und der Körper leicht. Johannes erzählt uns im Interview, was ihn zum neuen Album veranlasst hat und warum Reggae und Mantra so gut zusammenpassen.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Du hast ein neues Album herausgebracht. Es hat so etwas Erfrischendes. Wie bist du auf die Idee gekommen, Reggae und Mantras zu verbinden?
Johannes Vogt: Reggae-Musik, Mantra und Yoga haben für mich vieles gemeinsam. Es geht im Reggae oft darum, auch trotz den Herausforderungen des Lebens in Leichtigkeit zu sein und sich mit den „Positive Vibrations“ zu verbinden.
Welche Verbindung siehst du genau zwischen Rastas und Sadhus?
Wenn wir auf die Entstehung von Rastafari und dem Reggae auf Jamaika schauen, haben Indien und die Sadhus einen größeren Einfluss als dies vielleicht bekannt ist. Mit der britischen Kolonialherrschaft sind zwischen den Jahren 1845 und 1917 mehr als 36000 Inder nach Jamaica als Feldarbeiter gekommen. Darunter viele Sadhus, die ebenfalls wie die zuvor nach Jamaika gebrachten afrikanischen Sklaven Dreadlocks trugen. Es heißt, dass die indischen Sadhus sowohl Cannabis wie auch die Idee von Reinkarnation mitbrachten und sich schon damals die Kulturen gegenseitig inspirierten.
Sicher ist der größte religiöse Einfluss der Rastas eindeutig das Alte Testament und der äthiopisch-orthodoxe christliche Glaube. Doch nachdem Marcus Garvey in einer Prophezeiung die Krönung eines schwarzen Königs vorhersagte, welcher das afrikanische Volk aus der Sklaverei befreien würde, sahen viele Jamaikaner den letzten Kaiser Äthiopiens Haile Selassie auch als Reinkarnation von Jesus Christus an. Dem 225. Thronfolgers Salomons, Haile Selassies, war diese Idee nicht recht und er erklärte, er sei ein normaler Mensch. Doch die Idee von der Reinkarnation war wohl bei den Jamaikanern vielleicht auch durch die vielen Sadhus beliebt und so machten die Rastafaris dann irgendwie ihr eigenes Ding.
Bob Marley war eine Ikone unter den Rastas. Hat er auch für dich eine Rolle gespielt?
Ja, die Songs und der Geist von Bob Marley war natürlich auch in meiner Jugend sehr präsent. Die Musik der 70er und Bob Marley waren für mich zu der Zeit attraktiver als die Eurodance-Welle der 90er. Ich identifizierte mich damals schon sehr mit Subkulturen abseits des Mainstreams, wo mich die Musik und Texte Bob Marleys einfach auch abholten. Erst später hatte ich erfahren, dass Bob Marley in meiner Heimat in Offenburg 1976 sein erstes Deutschland-Konzert hatte – und die Stadt ihm sogar um 22 Uhr den Strom abgestellt hatte, weil es Anwohner gab, die sich beschwerten. Manchmal schon auch witzig, dieses Leben…
Manchen Hardlinern stellen sich jetzt vielleicht die Haare zu Berge, wenn du diese Musikstile verbindest. Ist das nicht eine Verwässerung der Stile?
Es ist der Lauf der Dinge, dass sich Dinge vermischen, gegenseitig inspirieren und manchmal auch mit all den guten und schwierigen Aspekten verwässern. Musikalisch bin ich sehr gern experimentell und habe selbst in meiner Schulzeit erlebt, wie sich damals Rockmusik und Hip-Hop vermischten und mit Cross-Over ein völlig neues Genre aufkam, was zum damaligen Zeitgeist sehr gepasst hat.
Ebenso sehe ich die Kombination von Reggae und Mantras mehr als eine Ergänzung, anstatt dass es der einen oder der anderen kulturellen Richtung etwas wegnimmt.
Wenn es um Mantras geht, finde ich es sehr wichtig, dass uns die alten vedischen Rezitationen erhalten bleiben. Mantras wie das Shri Rudram, Dakshinamurti Stotram, Lalita Sahasranama etc. haben in ihrer Betonung und dem Rhythmus schon seit Jahrhunderten eine klare Linie – welche, um sich mit der Kraft der angerufenen Energie zu verbinden, auch so erhalten bleiben sollten.
Wenn Bhajans und devotionale Lieder moderne Melodien bekommen, spricht da prinzipiell auch aus orthodoxer Sicht nichts dagegen.
Du bist nicht der Einzige, der gerade diese Stile verbindet. Gibt es hier jemanden, der dich inspiriert hat? Oder ist es so, dass diese verbindende Energie gerade in der Luft liegt?
Ich glaube, der Spirit des Reggae liegt nach wie vor in der Luft, denn die Hoffnung der Befreiung aus der babylonischen Unterdrückung, welche im Reggae in Liedern und dem Motto „Chant down Babylon“ besungen wird, passt wieder aktueller denn je in den aktuellen Zeitgeist.
Auch führende Yogis erklären das Chanten und Singen zur besten Praxis, welche im Kali-Yuga praktiziert werden kann.
Ich erlebe, wie sich derzeit Singkreisleiter weltweit sehr stark vernetzen und Lieder wie Hymnen von Singkreis zu Singkreis getragen werden und sich natürlich auch Musikstile, Gebete und Sprachen verbinden. Immer mehr Menschen sehen die Kraft und Gemeinsamkeiten in verschiedenen Traditionen und legen sich nicht nur auf eine religiöse Richtung fest. Bob Marleys Lieder wie „One Love“ sprechen hier natürlich alle an!
Gerade durch die Rainbow-und-Hippie-Bewegung gibt es schon seit einigen Jahren Musiker, welche Stile und interkulturelle Gebete verbunden haben. Da waren vor Jahren Jah Levi oder Fantuzzi schon Pioniere, die mit Reggae, World Musik und mystischen Texten den Weg für heutige Größen wie Shimshai oder Sam Garrett vorbereitet hatten.
Welche Rolle spielt Freiheit für dich persönlich?
Ja, ich glaube, ich bin schon sehr freiheitsliebend. (lacht)
Ich glaube an Freiheit in Vielfalt und kritisiere den Trend, welcher dies zwar predigt, in seiner Auswirkung jedoch oft kontraproduktiv ist.
Doch anstatt sich an äußeren Unfreiheiten aufzureiben, glaube ich, ist es für uns Westler an der Zeit, uns noch mehr der inneren Arbeit zuzuwenden und an der geistigen Freiheit zu arbeiten. Uns selbst von inneren „Zwängen“ und „Mustern“ zu befreien.
Wie begegnest du Unterdrückung?
Es ist schlau, sich immer wieder die Frage zu stellen, ob man etwas ändern kann. Wenn ich nichts wirklich ändern kann, bleibe ich in der Klarheit, dass ich es nicht gut finde, rede es mir nicht schön – aber versuche das Beste daraus zu machen.
Aus der Akzeptanz des Ist-Zustandes kann etwas Neues erwachen. Es ist in jeder Situation ein neues „Hineinspüren“, was der stimmige Umgang ist – im Widerstand wird die Spaltung oft noch größer.
Es sind schwierige Aufgaben im Persönlichen wie im Kollektiven. Doch geht es immer um das eigene karmische Thema und die Resonanzfelder zu „Macht“ und „Ohnmacht“. Und auch die eigene dharmische Rolle. Ich sehe mich hier mehr als Priester – und nicht als einen Krieger.
Was können wir gemeinsam tun, damit die Freiheit sich noch mehr im Geist der Menschen ausbreitet?
In mir klingt gerade der Song „White Cloud“ von Peter Makena an, er sang schon zu Oshos Zeiten: „Singing songs of love, and nothing, nothing else“.
Ich glaube, viel mehr bleibt uns derzeit nicht übrig, und dass wir alle für uns selbst die eigenen Entwicklungsschritte angehen und durch unsere eigene Heilung ein Licht in dunklen Zeiten sind.
Danke für das Gespräch, Johannes.
Weitere Informationen: Das neue Album kann auf der Webseite von Johannes bestellt werden: www.johannes-vogt.com Ausschnitt aus dem neuen Album: hier Auf Spotify kommt das Album am 27.10.23 heraus. In der YOGA AKTUELL Nr. 139 (April/Mai 2023) findest du ein PEOPLE-Interview mit Johannes: Von inneren und äußeren Reisen. |