Langsames Atmen. „Wer langsam atmet, lebt länger“, heißt es im Untertitel eines kleinen Buches des irischen Mediziners David Kearney. Dass sich bewusste, verlangsamte Atemprozesse – oder, einfacher ausgedrückt, Slow Breathing – heilsam auswirken und lebensverlängernd wirken können, wissen Atempraktiker schon seit Jahrtausenden.
In den letzten Jahren wurden die Wirkungen des Slow Breathings auch immer wieder wissenschaftlich untersucht – mit dem Ergebnis, dass Menschen durch eine regelmäßige Slow-Breathing-Praxis mehr Gesundheit und Leistungsfähigkeit auf körperlicher und geistiger Ebene sowie eine verbesserte Stressresilienz und mehr emotionale Ausgeglichenheit erreichen können. Dies liegt am engen Zusammenhang von Atmung und Nervensystem, auf den wir gleich zu sprechen kommen.
Langsam heißt nicht weniger
Doch vorher – das ist wichtig! – will ich einen kleinen „Disclaimer“ vorbringen: So einfach, gesund und freudvoll bewusst verlangsamtes Atmen für viele von uns sein kann, so ist es nicht unbedingt der beste Einstieg in die gesunde Atemarbeit für jede und jeden. Das zu wissen ist deshalb wichtig, weil langsames Atmen, rein technisch betrachtet, ziemlich einfach sein kann und in Verbindung mit großen Erwartungen oder Versprechungen, die sich daran knüpfen, auch besonders verführerisch. Doch es ist nicht immer heilsam. Eine kleine Geschichte soll verdeutlichen, was ich meine:
Robert, ein junger Klient aus der Schweiz, meldete sich bei mir, weil er an den Folgen einer COVID-Infektion litt und hoffte, seine belastenden Symptome, insbesondere Kurzatmigkeit, Erschöpfung und mangelnde Leistungsfähigkeit, zu lindern. Er war schon in einer US-Klinik gewesen, bevor er mich kontaktierte. Dort hatte man ihm eine Reihe von Atemübungen gegeben, vor allem bewusst verlangsamtes Atmen, doch er machte keinerlei Fortschritte. Was Robert mit dem Atemprogramm der Klinik nicht trainiert hatte, war, auch auf die richtige Atemmenge zu achten. Denn diese, das haben die vergangenen Artikel unserer Atemreihe aufgezeigt, ist von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Atemgesundheit geht: Das Volumen, das wir gewohnheitsmäßig atmen und welches bestimmt ist durch unseren individuellen Atemantrieb, soll jederzeit den Bedürfnissen unseres Stoffwechsels entsprechen. Liegen wir chronisch darüber, überatmen wir also – eines der am weitesten verbreiteten Merkmale dysfunktionaler Atmung –, dann entstehen ungesunde Verschiebungen im biochemischen Gleichgewicht des Körpers. Roberts Kurzatmigkeit, Erschöpfung und mangelnde Kraft sind geradezu „Klassiker“ einer Atmung, die ihre gesunde Natürlichkeit verloren hat. Er hatte […]