Achtsamkeitsbasierte Methoden haben in der Yogapraxis, aber auch in Psychotherapie und Medizin, Neurowissenschaft und Pädagogik sowie in der Wirtschaft einen festen Platz eingenommen. Wie kann man die Substanz dieser alten Methoden erhalten und sie zugleich an unsere heutigen Bedürfnisse anpassen?
Achtsamkeit hat längst umfassend Einzug in unsere Gesellschaft gehalten. Sie hat sich nach und nach in den verschiedenen Lebens-, Wissenschafts- und Arbeitsbereichen etabliert. Daran ist zweifelsohne maßgeblich Jon Kabat-Zinn beteiligt. Geschickt löste er die Achtsamkeitspraxis aus dem buddhistischen Kontext heraus und entwickelte eine Methode, die unter MBSR (Mindful-Based Stress Reduction / Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) bekannt geworden ist. Es war im Jahr 1979, als Kabat-Zinn die Achtsamkeit erstmals als therapeutisches Instrument am University of Massachusetts Medical Center einsetzte –
sicherlich ohne zu ahnen, was für einen Stein er damit weltweit ins Rollen bringen würde. Seitdem leitet der Mediziner Meditationskurse und hat tausende von Ärzten und Therapeuten darin ausgebildet, Menschen dabei zu helfen, chronische Schmerzen besser zu ertragen, Krebs zu bekämpfen und Stress sowie Burn-out zu reduzieren oder – besser noch – diesen vorzubeugen.
Mittlerweile wird MBSR in hunderten medizinischern Zentren, Krankenhäusern und Kliniken in der ganzen Welt für die Reduzierung von Schmerz und Stress verwendet. Darüber hinaus hat sich die Achtsamkeit als ein wichtiges Werkzeug in der Psychotherapie bewährt, ganz besonders in der Behandlung von Borderline-Störungen. Neben MBSR ist nun auch MBCT (die achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie) besonders zur Rückfallprophylaxe und Stabilisierung nach einer depressiven Phase ein probates Mittel.
Zeitgleich werden Achtsamkeitstrainings zunehmend in Firmen angeboten, um gestresste Mitarbeiter oder Führungskräfte vor dem Ausbrennen zu schützen – oder sie vor einem erneuten Burn-out zu bewahren. Denn längst ist erforscht, dass man im Verlaufe eines Lebens mehrere Male ausbrennen kann. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Achtsamkeitspraxis mittlerweile in den höchsten Ebenen der Wirtschaft Anklang findet. Selbst beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Frühjahr 2015 wurde Achtsamkeit praktiziert. Dort zeigte Jon Kabat-Zinn mehr als 80 Teilnehmern, wie sie auch in stressigen Zeiten Ruhe bewahren können.
Achtsamkeit ist auch das Gewahrsein selbst und damit eine vollkommen andere Fähigkeit als beispielsweise das Denken oder das reine Beobachten und Wahrnehmen von Gedanken.
Kontextentfremdung und Reduktion auf ein „schnelles Mittel“: Tendenzen der Verkürzung
Im Sommer dieses Jahres […]