Wir können uns entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten – auf das Gute in uns oder auf das, was uns nicht gelingt. Öffnen wir uns für die Kraft unserer Gedanken, dann sind wahre Wunder möglich. Deshalb mache dir immer bewusst: „Dein Leben ist das Produkt deiner Gedanken!“
In den letzten Jahren kommen vermehrt Yogalehrer und Yogapraktizierende zu mir, die unter starken Ängsten leiden. Viele von ihnen kämpfen so sehr, dass sie den ganzen Tag unter Angst machenden Gedanken und den dazu gehörigen Gefühlen und Körperempfindungen leiden.
Unsere gemeinsame Arbeit, raus aus der Angst, rein in die Gelassenheit beginnt damit, dass ich den Menschen wieder stabilisiere, erde und zurück in den eigenen Körper bringe. Denn Angst spielt sich in erster Linie im Kopf ab und bezieht sich sehr vor allem auf die Zukunft. Ich beginne damit, dass sich der Mensch wieder spürt. Das heißt: Körper abklopfen. Immer und immer wieder. Dieses Abklopfen führt dazu, sich selbst wieder zu spüren. Die eigenen Grenzen wahrzunehmen. Das tut einfach gut! Besonders bei der Angst, die ein waberndes Gefühl in uns auslösen kann und dazu führt, dass die körperlichen Grenzen verschwimmen.
Erdung ist eine zweite Maßnahme, um den Ängsten etwas entgegen zu setzen. Eine Möglichkeit ist, auf die Zehenspitzen zu kommen und die Fersen dann auf den Boden fallen zu lassen. Auch das führt dazu, sich selbst wieder mehr zu spüren.
Wenn durch solche Übungen wieder mehr Stabilität erzielt wird, geht es einen Schritt weiter. Und der ist der Wichtigste. Was denke ich über mich selbst? Wie schaue ich auf die Welt? Welche Gedanken prägen meinen Alltag?
Das kleine, aber mächtige ABER
Häufig nehme ich bei Übenden schnell Vorschritte wahr, wenn sie sich auf die Praxis einlassen. Aber sie selbst sehen nur das Objekt ihrer Angst. Wie das aussieht, zeige ich dir in einem kleinen Dialog. Markus zum Beispiel hatte starke Ängste, die mit großen Selbstzweifeln einhergehen. Er lenkte sich in seiner Freizeit die ganze Zeit mit seinem Smartphone ab, verlor sich dadurch noch mehr im Internet und spürte seinen Körper und sich selbst noch weniger.
Er ließ sich darauf ein, morgens das Smartphone auszulassen und erst einmal 10 Minuten dynamische Yogaübungen zu machen, die ihn in seinen Körper brachten. Außerdem fuhr er viel Rad. Als wir uns trafen, hatte er eine vitale Ausstrahlung und wirkte schon viel selbstsicherer.
Ich: „Markus, ich finde, du machst das wirklich wunderbar!.“
Markus: „Ja, heute fühle ich mich auch ganz gut. Aber ich könnte noch viel mehr Yoga machen. Dann würde es mir noch besser gehen.“
Ich: „Wie wäre es, wenn du das Wort ABER mal weglassen würdest und anerkennst, dass du dich heute ganz gut fühlst.“
Markus: „Ja, aber ich würde mich gerne noch besser fühlen und habe meine Angst noch nicht ganz überwunden.“
Ich: „Magst du mal versuchen, dass ABER wegzulassen und das anzuerkennen, was du bereits erreicht hast.“
Markus: „Ja, kann ich machen. Aber…. (lacht). Mann, ist das krass. Ich habe das Wort ABER total verinnerlicht und merke jetzt gerade, wie sehr ich mich dadurch runtermache.“
So wie Markus geht es übrigens auch vielen Yogalehrern und Yogapraktizierenden. Ich hatte vor einiger Zeit eine Gruppe mit sechs Yogalehrerinnen, bei denen es auch um Ängste ging. Jede von ihnen schränkte sich selbst durch diese vier Buchstaben „ABER“ ein. Es war so auffallend, dass wir die Abmachung trafen, dass jede (ich inklusive) für ein ausgesprochenes ABER einen Euro in eine Box geben musste. Nach nur 1 ½ Tagen hatten wir viel Geld zusammen. Wie hoch würdest du die Summe spontan einschätzen?
30 EURO / 45 EURO / 60 EURO / 90 EURO
Wir hatten tatsächlich 90 EURO zusammen und hatten alle eine Lektion gelernt: „Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken.“ Hast du Lust, das Aber-Spiel mitzuspielen? Wie wäre es, wenn du einen Tag lang darauf achtest, wie oft du ABER sagst… ? Wenn du mitspielst, lass uns wissen, wie oft du diese vier Buchstaben im Verlauf eines Tages verwendest.
Es ist einfach
Wenn wir uns bewusst werden, welche Worte wir verwenden – unter anderem auch Worte wie „ich müsste, ich sollte, eigentlich etc.“ werden wir uns auch darüber bewusst, wer und was wir sind.
Bereits im Dhammapada, der bekannteste und am meisten geschätzte Text des Pali Tipataka, der heiligen Schriften des Theravada Buddhismus, wird auf die Kraft unserer Gedanken hingewiesen:
„Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt. Sprich und handle mit unreiner Gesinnung und Leid wird dir folgen wie das Rad dem Ochsen folgt, der einen Wagen zieht. Wir sind, was wir denken. Alles was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt. Sprich und handle mit reiner Gesinnung und Glück wird dir folgen wie dein unteilbarer Schatten.“
(Dhammapada, 1. Abschnitt)
Unsere geistige Einstellung ist somit der Faktor X, der alles entscheidende Faktor also, der unser Schicksal bestimmt. Der Dichter Ralph Waldo Emerson sagte einmal: „Ein Mensch ist das, was er den ganzen Tag denkt.“
Im Talmud heißt es: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“
Wir sollten uns häufiger unserer Gedanken bewusst zu werden.
Gedanken stoppen
Leider können wir nicht kontrollieren, was wir denken. Ich kann also nicht sagen, dass mein nächster Gedanke ein positiver Gedanke sein soll. Ich kann auch nicht sagen, dass ich zukünftig nur noch gute Gedanken haben werde, damit ich ein gutes Schicksal haben werde. Was wir aber tun können, ist, dass wir uns unserer Gedanken bewusst sind und negative Gedanken stoppen – sobald wir uns dessen gewahr werden. Und zwar nicht mit einem Selbstvorwurf, dass wir schon wieder Zweifel, Ängste, Wut, Sorgen, Eifersucht etc. in unsere Gedanken verwoben haben, sondern mit einem Lob, dass wir bemerkt haben, was in unserem Kopf vor sich ging.
Das soll auch nicht bedeuten, dass wir versuchen, alles nur noch durch eine positive Brille zu betrachten. Das auf keinen Fall, weil wir sonst Gefahr laufen, toxischer Positivität zu unterliegen. Und die ist genauso gefährlich wie das sich fixieren auf negative Gedanken. Was wir tun können, ist, dass wir uns über unser Leben und mögliche Probleme, die wir in unserem Leben erfahren, Gedanken machen können, aber keine Sorgen.
Wenn ich in München über eine verkehrsreiche Straße zu einem Yogastudio gehe, weil ich spät dran bin und pünktlich zur nächsten Yogastunde kommen möchte, kann ich mir Gedanken darüber machen, was ich tue, ohne mir Sorgen zu machen. Mir Gedanken zu machen bedeutet zu erkennen, wo das Problem liegt, und dann ruhig etwas zu unternehmen, um es aus der Welt zu schaffen. Das könnte bedeuten, dass ich früher losgehe, um pünktlich zum Unterricht zu kommen. Mir Sorgen zu machen würde bedeuten, dass ich mich verzweifelt und hoffnungslos im Kreis drehe, weil ich mich jedes Mal dafür verurteile, wenn ich zu spät komme, aber nicht wirklich etwas ändere.
In einem solchen Moment, in dem wir bemerken, dass wir uns in Gedanken verurteilen oder unsere Ängste, Wut, Ärger oder Eifersucht mit negativen Gedanken füttern, können wir einfach „Stopp!“ sagen. Und uns über jedes Stopp freuen, dass wir als solches benennen. Und wenn wir es wirklich wollen, können wir unsere Gedanken ändern und damit unser Schicksal. Und dann werden wir erkennen, wie große die Kraft ist, die wir durch unsere geistig-seelische Einstellung entfalten können.
Zum Weiterlesen:
Alice Huth. Das große Buch der Achtsamkeit. Die schönsten Texte zum Innehalten. Fischer Verlag. 2018