Wo wirklich alles fließt: Das Türkische Bad ist eine Welt aus Wasser, Wärme und Seifenschaum – mit einem wundervollen alten Ritual, das der Reinigung auf allen Ebenen dient.
Mit einem Peştemal, dem hamam-typischen karierten Baumwolltuch bekleidet, liege ich auf dem Göbektaşı, dem heißen „Nabelstein“. In Sekundenschnelle hat sich die wohltuende Wärme des Marmors auf meinen gesamten Körper übertragen, breitet sich – so kommt es mir vor – tief bis in jede Zelle aus und lockert meine Muskeln schon vor der ersten Berührung durch den Hamam-Meister. So werden nicht nur die Poren geöffnet, was den Effekt der nachfolgenden Reinigungsprozedur fördert, sondern auch die Sinne öffnen sich weit. Ich schließe die Augen und lausche der sanften Musik, orientalischen Klängen, die den Ohren geradezu widerspiegeln, was der Blick einfängt, wenn er an der hohen Kuppel des Raums entlangschweift – Muster von einzigartiger Harmonie, wie sie in der islamischen Architektur verwendet werden, um die Perfektion und Schönheit des Kosmos anzudeuten.
Alles ist schon jetzt vollkommen. Jeder einzelne Schritt in der Hamam-Prozedur ist ein Genuss, und alle zusammen ergeben eine elaborierte Komposition, die ihre Wirkung gar nicht verfehlen kann. So warte ich also auf dem Nabelstein, dem Zentrum des Hamam, wo mir der Hamam-Meister aus Handtüchern ein bequemes Lager bereitet hat. Dann ergießt sich ein Schwall warmes Wasser über meinen Rücken, gefolgt von einigen weiteren wohltemperierten Güssen. Der Telak, so nennt man den Hamam-Meister hier in der Türkei (sein weibliches Pendant ist die Natır), hat aus den Kalt- und Warmwasserhähnen, die ringsherum in den Sitzecken angebracht sind und unter denen sich kleine Auffangbecken befinden, genau die richtige Mischung aus heißem und kaltem Wasser zusammengestellt, die er nun aus kleinen Schalen über mir ausgießt. Da ist sie wieder – diese Perfektion. Das genau richtige Maß aus Sanftheit und Kraft, mit der das Wasser über meinen Rücken fließt. Mit einem rauen Handschuh, dem Kese, schrubbt der Telak daraufhin gewissenhaft Zentimeter für Zentimeter meine Haut – so will es die Hamam-Tradition, und so hat es sich bewährt, um abgestorbene Hautschüppchen gründlich zu entfernen und alles so richtig schön auf Hochglanz zu polieren. Es fühlt sich ganz einfach wunderbar an. Während ich nachspüre, schlägt der Meister nun mächtig Schaum: Aus Olivenseife, die […]