Wir alle benutzen unsere Stimme täglich. Gerade auch für Yogalehrende spielt die Stimme eine entscheidende Rolle, da sie ein bedeutsames Medium im Unterricht darstellt. Yogalehrende sprechen viel, sie haben ein hohes Sprechtempo und in einem großen Raum ist es wichtig, dass ihre Stimme kräftig, verständlich und klar ist, damit die Teilnehmenden die Anleitungen deutlich verstehen können, da sonst die Konzentration nachlässt und die Präsenz verfliegt.
Wir haben mit der Logopädin Melanie Schweer über das Thema Yoga für die Stimme gesprochen. Sie interessiert sich für das Thema Stimmprävention und hat festgestellt, dass Atmung, Körperhaltung, Muskeltonus und Po Entspannung wichtige Bausteine für den Erhalt einer gesunden und kraftvollen Stimme sind.
Erfahre, wie du das wichtigste Instrument deiner persönlichen Ausdruckskraft „pflegen“ kannst.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: In Yogalehrerausbildungen geht es oft um die Art der Vermittlung des Yoga und wie eine Atmosphäre des Vertrauens in der Shala geschaffen werden kann. Welche Rolle spielt hier die Stimme?
Melanie Schweer: Unsere Stimme ist für uns Yogalehrende unser primäres Kommunikationsmedium und leitet unsere Schüler durch ihre Yogastunde. Unsere Stimme ist so einmalig wie unser Fingerabdruck und hat für unsere Schüler einen hohen Wiedererkennungswert. In meiner Tätigkeit als Logopädin sagte mir vor etlichen Jahren eine meiner Stimmpatientinnen im Rahmen der Reflexion nach einem Bodyscan, dass sie sich schon entspannt und fallen lässt, nur wenn sie meine Stimme hört. Das war ein schönes Kompliment und ein großer Vertrauensbeweis. Ich denke, dass wir diese Aussage auch auf den Yogaunterricht übertragen können: Schließlich ist der Bodyscan auch eine klassische Entspannungsübung in unseren Yogaeinheiten. Und ist das nicht eine schöne Vorstellung? Dass wir durch unsere Art und Weise zu sprechen eine Verbindung zu unseren Schülern – eine Vertrauensbasis – schaffen und sie so in ihrer Entspannung unterstützen können?!
Inwieweit hat die Stimme einen Einfluss auf die persönliche Ausdruckskraft und die eigene Überzeugungskraft als Yogalehrerin, als Yogalehrer?
Unsere Stimme ist ein Barometer für unsere Stimmung. Hast du schon einmal einen engen Freund angerufen und schon beim ersten Wort gehört, wie es ihm geht? Genau! Deshalb ist Authentizität essenziell, wenn es um deine Überzeugungskraft geht. Du bist, was du sprichst und umgekehrt. Deshalb: Sprich und handele in Übereinstimmung mit deinen Werten. Praktiziere nur, was zu dir passt und dir selber guttut. Sei ehrlich zu dir selbst und zu deinen Schülern. Deine Schüler werden es spüren und vor allem: Hören!
Gibt es für dich als Logopädin und Yogini soetwas wie die „ideale Yogalehrerstimme“? Und was können Yogalehrende für eine ausdrucksstarke Stimme tun?
Um diese Frage zu beantworten, lade ich dich zu einem Experiment ein: Achte mal in deinem Alltag auf die Stimmen und die Sprechweisen der Personen, denen du begegnest. Du kannst dieses Experiment natürlich auch abends auf dem Sofa beim Fernsehen durchführen. Was gefällt dir, was nicht? Und noch spannender: Frage doch mal andere Personen, ob sie genauso empfinden wie du. Denn merke: Geschmäcker sind verschieden!
Dennoch empfinden die meisten Menschen hohe, piepsige Stimmen mit harten Stimmeinsätzen, vor allem in Kombination mit einer hektischen Sprechweise, als bestenfalls unangenehm, schlimmstenfalls anstrengend. Tiefe, volle und weiche Stimmen sowie eine ruhige Sprechweise werden dagegen als eher angenehm empfunden.
Und dann gehe einen Schritt weiter: Nimm dich auf und hör dir zu. Hör gar nicht so sehr darauf, was du sagst, sondern wie du es sagst. Du kannst etwas vorlesen, dir selber von deinem Tag erzählen oder – falls du einen Gesprächspartner zur Verfügung hast – einen Dialog initiieren. Je näher du an der Realität dran bist, desto besser. Dann frage dich, was dir an deiner Art zu sprechen gefällt? Kannst du diese Aspekte gezielt nutzen? Und dann freunde dich mit deiner Stimme an. Das funktioniert nicht von heute auf morgen, ist aber ein Prozess, der sich lohnt, da er dich in deiner Authentizität unterstützt.
Welche Übungen empfiehlst du, um die eigene Stimmkraft zu stärken?
Jeder Mensch hat eine Wohlfühlstimmlage, das ist sozusagen der stimmliche Heimathafen. In dieser sogenannten Indifferenzlage kannst du besonders lang anstrengungsfrei sprechen. Außerdem bildet die Indifferenzlage deine natürliche Sprechstimme ab. Um diese zu finden und zu trainieren, kann ich dir folgende Übungen empfehlen:
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Unabhängig von stimmlichen Übungen kannst du noch darauf achten, dass du das Sprechen in „stimmunfreundlichen“ Asanas vermeidest. Minimiere das Sprechen in allen Positionen, in denen du deinen Nacken nach hinten überstreckst. Dazu zählen beispielsweise alle Rückbeugen. Auch das Sprechen unter Kraftanstrengung solltest du vermeiden. Finde eine Balance zwischen Reden und Schweigen. Deine Stimme wird es dir danken.
Melanie Schweer ist seit 15 Jahren Logopädin mit eigener Praxis in Wunstorf. Nach Abschluss ihres Studiums der Therapiewissenschaften und ihrer Ausbildung zur Yogalehrerin bietet sie »Yoga in der Praxis« an und vermittelt in ihrem Yogaunterricht auch stimmrelevante Themen ganz praxisnah und alltagsrelevant.
www.logopaedie-wunstorf.de