Muss ich den Lotussitz können, um ein guter Yogi zu sein?Fragt man den Laien, was er mit Yoga verbindet, so wird besonders oft der Lotussitz genannt. Diese Antwort ist nicht nur im Westen, sondern interessanterweise auch in Indien zu hören. Tatsächlich werden viele Yogis, sowohl in alten Tempeln wie auch in modernen Yogabüchern, im Lotussitz abgebildet. Viele glauben sogar, dass man genau diesen Sitz beherrschen müsse, um als guter Yogi anerkannt zu werden. Andere halten wiederum dagegen und beurteilen den Lotussitz sogar als gefährlich. Langes Sitzen im Lotussitz könne irreparable Schäden in den Kniegelenken hervorrufen. Jede Form unnatürlicher Verrenkungen gehöre ins Varieté oder in den Chinesischen Nationalzirkus, aber nicht in unsere Yogakurse. Wem ist Recht zu geben?
Was ist der Lotussitz?
Warum wird hier so heftig gestritten? Es geht um eine Sitzhaltung, die im Sanskrit als „Padma-Asana“ bezeichnet wird. „Padma“ ist mit „Lotus“ und „Asana“, in der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes, mit „Sitz“ oder „Sitzhaltung“ zu übersetzen. Während man auf dem dem Boden sitzt, liegen der rechte Fuß auf dem linken und der linke Fuß auf dem rechten Oberschenkel, wobei beide Fußsohlen nach oben zeigen. In dieser Art mit verschränkten Beinen auf dem Boden zu sitzen, kann tatsächlich an eine Lotusblume erinnern.
Sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus gilt der Lotussitz als der klassische Meditationssitz. Die Statuen sitzender Buddhas werden meist im Lotussitz dargestellt. Und auch im Hatha-Yoga zählt er zu den wichtigsten Meditationshaltungen. Durch den Lotussitz sollen nach den alten Hatha-Yoga-Texten sogar „alle Krankheiten beseitigt“ werden. Solche Aussagen sind allerdings wahrscheinlich eher als Ausdruck der Begeisterung denn als ein wörtlich zu nehmendes Versprechen zu verstehen.
Im heutigen Yoga wird der Lotussitz als besonders stabile Sitzhaltung geschätzt. Er gehört zu den Sitzhaltungen, in denen beiden Knie und das Gesäß in einem Dreieck fest auf dem Boden ruhen, so dass eine besonders stabile Sitzbasis für den in sich ruhenden, aufgerichteten Rücken entsteht. Sowohl für Atemübungen als auch für die Meditation sind somit die besten Voraussetzungen gegeben.
Das Üben in der modernen Kultur
Wegen der großen Bedeutung dieser Haltung ging B.K.S. Iyengar in seinem 1966 erschienenen Buch „Licht auf Yoga“ noch davon aus, dass „quälende Schmerzen“ im Bereich der Knie „kein Hinderungsgrund“ für das Üben des Lotussitzes sein sollten. Mit der […]