Während viele Menschen damit beschäftigt sind z.B. Ängste, Neid, Gier, Selbstüberschätzung oder mangelndes Selbstwertgefühl zu unterdrücken, empfiehlt das Yoga-Sutra des Patanjali uns, diese durch Achtsamkeit zu erkennen und zu lernen, entsprechend mit ihnen umzugehen. Je mehr wir mit unserer Aufmerksamkeit bei dem sind, was gerade zu tun ist, desto eher werden wir erkennen, welches der Hindernisse durch uns hindurch wirkt und Stress in uns auslöst.
Eine achtsame Haltung kultivieren
Hierzu gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Wenn du dich selbst erforscht und um deine eigenen Gedanken und Gefühle weißt, kannst du Verantwortung für dein Denken und Handeln übernehmen. Dann musst du zum Beispiel am Arbeitsplatz die Schuld nicht mehr nur noch bei deinen Kollegen oder deinem Chef suchen, sondern kannst erkennen, wie groß dein eigener Anteil ist, dass es z.B. zu einer missglückten Präsentation gekommen ist, dass ein Termin doppelt belegt wurde oder die Warenauslieferung zu spät erfolgt ist. Unseren Anteil an Fehlern zu uns zu nehmen, kann für mehr Harmonie bei der Arbeit sorgen.
Die schlechte Nachricht hingegen lautet: Keines dieser Hindernisse (der kleshas) kann man vollkommen überwinden. Deshalb spielt hier die Achtsamkeit eine so große Rolle. Sie kann uns darin unterstützen, eine gewisse Wachheit und Klarheit im Umgang mit ihnen zu entwickeln. Denn selbst in Zeiten, in denen z.B. Hass, Gier oder eine mangelnde oder falsche Selbsteinschätzung nicht bewusst vorhanden sind, ist es wichtig, sich ihrer Existenz bewusst zu sein. Leider haben wir die Tendenz, den Zustand von vorübergehender Klarheit mit einem andauernden Gefühl der Klarheit zu verwechseln.
Üben, wenn es leicht fällt
Es heißt sogar, dass gerade hier die Gefahr besteht, unachtsam zu werden. Das Yoga-Sutra empfiehlt dir, gerade solche Momente zu nutzen, in denen die Hindernisse nicht so stark durch dich hindurchwirken, weil du dann ihren Ursprung entspannter untersuchen kannst als wenn die Stürme des Lebens dich beanspruchen. Je wachsamer du dir selbst gegenüber also in einer entspannten Haltung bist und umso mehr du dich im Hier und Jetzt, also im gegenwärtigen Moment befindest, desto eher wirst du bemerken, wann eines der Hindernisse auftaucht und wie sie den Geist beunruhigen.
Am Arbeitsplatz eine gewisse Achtsamkeit zu entwickeln, fällt vielen von uns allerdings sehr schwer. Wir glauben keine Zeit dafür zu haben, Praktiken wie (Business)Yoga, Atem- oder Achtsamkeitsübungen zu machen. Allerdings wirst du schnell merken, dass du eigentlich Zeit sparst, wenn du deine Arbeiten achtsam durchführst und für deine Kollegen und Mitarbeiter mehr Achtsamkeit entwickelst statt alles auf die Schnelle zu erledigen und wichtige Gespräche nur zwischen Tür und Angel zu führen.
Erst überprüfen, dann sprechen
Die folgende Geschichte zeigt dir, wie wir reagieren, wenn wir unachtsam sind:
Aufgeregt kam Klaus zu seinem Chef: „Herr Maier, ich muss Ihnen unbedingt etwas erzählen. Chris, der Azubi aus der IT-Abteilung…“
„Warte einen Moment!“ unterbrach ihn der Chef, wohlwissen, dass Klaus seinen Azubi Chris ablehnte.
„Hast du das, was du mir erzählen möchtest, durch die drei Siebe laufen lassen?“
„Drei Siebe?“ fragte Klaus voller Verwunderung.
„Ja, genau – die drei Siebe! Lass uns doch gemeinsam überprüfen, wie das das, was du mir erzählen möchtest, durch die drei Siebe hindurchgeht.
Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, dahingehend überprüft, ob es auch wirklich wahr ist?“
„Nein,“ antwortete Klaus. „Ich habe es auch nicht direkt von Chris gehört, sondern nur von Bernd, der Chris vom Sehen kennt. Und…“
„So, so.“ antwortete der Chef, wohlwissend, dass Klaus Chris nicht sonderlich mochte. „Aber sicher hast du die Geschichte mit dem zweiten Sieb geprüft, dem Sieb der Güte.
Ist das, was du mir erzählen möchtest, wenn schon nicht als wahr erwiesen, wenigstens gut und heilvoll?“
Zögernd antwortete Klaus: „Nein, es ist genau das Gegenteil.“
„Dann lass uns schauen, wie deine Geschichte durch das dritte Sieb geht. Ist es notwendig, mir das zu erzählen, was dich so erregt?“
„Naja“, sagte Klaus mittlerweile im reumütigen Ton. „Notwendig ist es nun auch nicht wirklich.“
„Also“, sagte Herr Maier, „wenn es weder wahr ist, noch heilvoll und auch nicht notwendig – dann verschone mich bitte mit deiner Geschichte und vergiss sie.“
Übung: Forschergeist aktivieren
Durch Achtsamkeit lernst du, kontinuierlich deine Gedanken zu beobachten, ohne sie zu verändern, sie zu bewerten oder dich vollkommen mit ihnen zu identifizieren. Vielleicht wird dir nachhaltig klar, wie viele Sorgen, Ängste, Zweifel und negative Gedanken hinsichtlich deiner Arbeit durch deinen Kopf jagen. Gleichzeitig lernst du, dass deine Gedanken nicht die Welt abbilden, sondern lediglich deine Sicht. Wenn du deine Gedanken im Sinne der Achtsamkeit kultivierst, wird dein Blick wieder frei.
Über den Tag hinweg denke ich folgendes negativ …
…über meinen Partner________________________
…über meine Kollegen / Kunden ________________
…über mein Haustier_____________________________
Welche negativen Gedanken kommen besonders oft vor?
1.
2.
3.
4.
5.
Wie häufig bist du dir bewusst, dass du so negativ denkst?
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Übungen wie diese helfen dir, dich aus alten Gedankenmustern zu lösen, ganz im Sinne des Patanjali den Geist ruhiger werden zu lassen und für eine entspanntere und wohlwollendere Atmosphäre am Arbeitsplatz zu sorgen. Mache diese Übung ruhig jeden Tag über einen längeren Zeitraum, weil du dann viel über dich lernst.
Wie dich Patanjali noch darin unterstützen kann, achtsamer zu werden, erfährst du in der nächsten Folge der Serie…