Die Zahl der Menschen, die alternative Lebensformen und –konzepte erforschen, wächst. Immer mehr wollen ihr Leben nicht mehr im Hamsterrad verbringen und sich freistrampeln von Leistungsdruck und Konsumzwängen. Viele sind müde, andere sind trotzig und die meisten wollen mehr vom Leben als eine schicke Couch, einen vollen Kleiderschrank, fünf Wochen Jahresurlaub und einen Job, den man gerade noch erträgt.
Auf das Wesentliche reduzieren
Doch wie befreit man sich von realen und vermeintlichen Zwängen? Ein Weg zu mehr Freiheit kann der Verzicht sein. Wer erkennt, wie wenig er wirklich braucht für sein Glück muss weniger kaufen, weniger verdienen, weniger arbeiten und funktionieren. Das Thema Minimalismus erhält mehr und mehr Aufmerksamkeit und geistert inzwischen nicht mehr nur durch einschlägige Blogs, sondern auch durch Talkshows und Tageszeitungen. Dicht gefolgt von Berichten über die „Digitalen Nomaden“, die nicht mal mehr eine Couch besitzen, sondern überall dort leben, wo sie gerade ihren Laptop aufklappen möchten. Aber ist weniger wirklich mehr? Macht es uns tatsächlich glücklicher weniger als 100 Dinge zu besitzen? Wie klappt das mit der Konsumdiät und was bedeutet es, sich auf das Wesentliche zu reduzieren?
Neue Mini-Serie
In einer neuen kleinen Mini-Serie möchten wir das Themenfeld Minimalismus erforschen und herausfinden, was wir gewinnen, wenn wir verzichten. Dazu werden wir u.a. auch verschiedene Menschen befragen, die Erfahrungen mit diesem Lebensstil gesammelt oder darüber nachgedacht haben. Und natürlich interessiert uns besonders, ob und welche Verbindungslinien es zum Yoga gibt.
Den Anfang macht Adriana Castorena, Yogalehrerin aus Salzburg und YOGA AKTUELL-Covermodel (Nr. 92).
Sie ist 2015 auf Konsumdiät und wir haben sie nach ihren Motiven und Erfahrungen befragt:
INTERVIEW MIT ARIADNA CASTORENA
YOGA AKTUELL: Bitte erkläre kurz, worauf genau du für wie lang verzichtest.
Ariadna Castorena: Ein Jahr lang möchte ich keine Kleidung kaufen, seit neun Monaten tue ich es bereits.
Was hat dich zur Konsumdiät bewegt?
Bei einer (seltenen) Aufräumaktion meines Kleiderschrankes entdeckte ich mit Entsetzen, wie viel Kleidung sich angesammelt hatte – ohne dass ich wusste, wann und wozu ich diese gekauft hatte. Außerdem war mir schnell klar: Vieles davon hatte ich kaum oder nie angezogen und würde es auch nicht mehr tun. Mein nächster Gedanke war: „Ich muss mein Konsumverhalten radikal verändern“.
Gibt es für dich einen Zusammenhang zum Yoga?
Ich sehe jetzt dieses Experiment des Kauf-Verzichts als ein Teil meiner Yoga Praxis. Damit übe ich mich in:
- Santosa (Zufriedenheit): Es ist für mich eine wunderbare Möglichkeit, um mich in der Kunst des „Zufrieden-seins“ zu üben. Wenn shoppen, um sich besser zu fühlen, auf einmal entfällt, muss man andere Wege finden, um das was man ist (und wie man aussieht) anzunehmen.
- Aparigraha (Begierdelosigkeit): Immer wieder erkenne ich bekannte Muster: Gier und mehr haben wollen! Mich von einigen Sachen zu trennen war am Anfang schwer, aber je länger dieses Experiment dauert, desto leichter fällt es mir. Nun übe ich mich darin, Sachen zu verschenken und mich daran zu erfreuen. Es macht Spaß und tut gut!
- Ahimsa (Gewaltlosigkeit): Eine möglichst gewaltfreie Lebensweise beinhaltet für mich auch das bewusste Einkaufen von Mode und sich mit den oft menschenunwürdigen Herstellungsbedingungen auseinanderzusetzen. Ich will nun durch meinen Konsum vor allem alternative und faire Praktiken unterstützen.
Welche Erfahrungen hast du gemacht bzw. welche Erkenntnisse gibt es nach neun Monaten?
Mir ist es bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich brauche und um wie viel wichtiger mir die Qualität und faire Herkunft (nicht nur) meiner Kleidung ist. Weniger ist tatsächlich mehr geworden!
(Wann) War es schwierig?
Immer wieder stoße ich auf Verkaufs-Aktionen die mich gefühlsmäßig ansprechen. Ich denke mir dann: „Ich will das unbedingt haben, dann würde ich mich schöner, schlanker, stärker, attraktiver, jünger, etc. fühlen“.
Denkst du dass du nach diesem Jahr etwas anders machen wirst?
Auf jeden Fall! Ich will nun Mode genießen so wie man (nach Ayurveda) ein leckeres Essen zu sich nimmt: zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge und mit einer bewussten Einstellung.
Kannst du diese Erfahrung empfehlen?
Wie nach einer Fasten-Kur fühle ich mich leicht. Mode und Kleidung kann ich bewusster genießen. Mir „schmeckt“ alles besser, weil ich mich nicht mehr übervoll fühle. Ich wünsche jedem so ein Gefühl – es ist richtig befreiend!
Mehr über Ariadna:
http://ariadnacastorena.com/
[highlight]Hast du selbst Erfahrungen mit Konsumverzicht? Was bedeutet es für dich, dich auf das Wesentlich zu reduzieren? Kannst du dir vorstellen, dass weniger mehr ist? Wir freuen uns über Kommentare zum Thema![/highlight]