Die traditionellen Stufen der Mantra-Praxis: Warum die transformierende spirituelle „Arbeit“ mit einem Mantra einem ganz bestimmten Ablauf folgt.
Mantras gehören zu den subtilsten und gleichzeitig kraftvollsten Werkzeugen des Yoga. Laut vedischer Philosophie ist das Shabda-Tanmatra, das feinstoffliche Element des Klangs, die ursächlichste Essenz von Materie, Prakrti. Im Anbeginn der Schöpfung existierte laut Veden nur der Klang – aus dem sich dann später alle anderen Elemente der Materie wie Struktur, Geschmack und Geruch ausgeformt haben. Das bedeutet, dass sowohl wir als auch alles andere auf dieser Erde letztendlich auf Klang oder Vibration basieren.
Die Fähigkeit von Mantras, uns in unserem Innersten zu berühren, beruht auf eben diesem Verständnis. Das ist bei der Praxis auch sofort für uns spürbar: So fühlen wir uns nach dem Chanten vielleicht traurig oder sind durch die positiven Schwingungen im wahrsten Sinne beschwingt. Ihre wahre Kraft entfaltet sich jedoch jenseits der bewussten Wahrnehmung: Mantras haben die Fähigkeit, unser Unterbewusstsein zu erreichen und dort tiefe Veränderungen auszulösen. Patanjali bezeichnet dies in den Yoga-Sutras als das Erzeugen eines neuen Klangmusters, eines Nava-Shabda-Samskara (Yoga-Sutra 3.9.). In der Yogapraxis geht es darum, negative Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu reduzieren. Das ist auf bewusster Ebene jedoch nicht immer möglich, da wir uns selten neutral einschätzen und unsere eigenen ungesunden Denkstrukturen nicht bewusst wahrnehmen. Und selbst wenn wir sie wahrnehmen, wissen wir oft nicht, wie wir sie durchbrechen oder ablegen können, weil sie tief in unserem Unterbewusstsein verankert sind. Hier können Mantras wahre Wunder bewirken.
Die richtige Aussprache ist von Bedeutung
Manchmal hört man in der westlichen Welt, dass die Aussprache eines bestimmten Mantra keine Rolle spielt und es nur auf die Intention des Schülers ankommt. Das ist nicht richtig.
Laut vedischer Philosophie stammen die einzelnen Silben des Sanskrit-Alphabets aus der Trommel des Gottes Shiva. Jeder einzelne Buchstabe definiert sich im Sanskrit nur über seine Aussprache. Jeder Laut trägt so in sich Prana, eine bestimmte Energie, die nur durch die korrekte Aussprache frei wird. Zudem hat jeder Buchstabe traditionell einen Bezug zu einem bestimmten Körperteil, der durch die freiwerdende Energie gestärkt werden kann. Daher ist eine genaue Aussprache essenziell.
Laut der alten Schriften kann die Energie eines Mantra nur dann vollständig wirken, wenn drei Dinge zusammenkommen. Erstens: die Qualität des Klangs und die Richtigkeit […]