Selbst Erleuchtung ist nicht mehr das, was sie einmal war: der endgültige Sprung vom Rad der Wiedergeburten in die zeitlose Leere des absoluten Gewahrseins – um mal ein Bild aus den spirituellen Traditionen des Ostens zu verwenden. Dort werden diesem Gewahrsein die Qualitäten „sat“, „chit“ und „ananda“ zugewiesen, was zumeist mit „Wahrheit“, „Bewusstheit“ und „Glückseligkeit“ übersetzt wird. Das ist nicht allzu weit entfernt von der christlichen, oder besser abendländisch-gnostischen Verheißung einer Einswerdung des Menschen mit Gott; dies heißt dann Apotheosis.
Welche Formulierungen und Metaphern auch immer man gebraucht: Allen ist gemeinsam, dass das Bild vom Urgrund des Seins, das sie zeichnen, ein eher statisches ist. Tatsächlich gibt es in der absoluten Leere, Stille und Vollkommenheit schon per definitionem nicht besonders viel Bewegung und Dynamik, um genau zu sein: überhaupt keine.
Im Himmel nichts zu tun?
Das ist dem Satsang-Lehrer Andrew Cohen entschieden zu wenig. „Sollte es ‚im Himmel‘ wirklich nichts zu tun geben?“, fragt der ehemalige Papaji-Schüler streitlustig. Immerhin zeichnet sich die Existenz doch durch Dynamik und Höherentwicklung aus, kurz Evolution. Und das nicht nur in der materiellen Welt der Formen und Erscheinungen, die Darwin im Auge hatte – evolutionäre Entwicklung gibt es auch im Reich des Bewusstseins. Ja, eigentlich ist die menschliche Stammesgeschichte wesentlich eine Geschichte der Entwicklung des Bewusstseins.
Die kann man als stufenförmige Hierarchie darstellen. Eines der bekanntesten Modelle dazu stammt von Don Beck. Der US-amerikanische Bewusstseinsforscher stellte den Prozess als Wendeltreppe mit acht Stufen dar, denen er aus didaktischen Gründen jeweils ein Farbe zuwies, und nannte das Ganze „Spiral Dynamics“. Auf dieser Spirale beginnt die Bewusstseinsgeschichte der Menschheit mit der Farbe Beige, die für das instinkthafte Überlebensbewusstsein der ganz frühen Jäger- und Sammler-Kulturen steht, in denen noch kaum unterschieden wurde zwischen „Ich“, „Gruppe“ und „Welt“. Auf Beige folgt die magisch-animistische purpurne Stufe, auf der mit dem Bewusstsein eines „Ich“ auch Götter und Wunder auftauchen. Während das Ich- und das Stammesbewusstsein auf der purpurnen Stufe noch weitgehend identisch waren, kommt es auf der roten Stufe, die vor etwa 10.000 Jahren begann, zur bis heute vorherrschenden strikten Trennung von Ich und Welt – der „abendländischen Schicksalsneurose“, wie der Dichter Gottfried Benn sie nannte. Und die hält bis heute an, auch wenn sich ein bedeutsamer Teil der Menschheit bewusstseinsmäßig […]