Patrick Oancia lebt in Tokyo, wo ihm ein Yogastudio gehört. Er praktiziert Yoga seit den frühen 1990er Jahren und lehrt seit über vierzehn Jahren. Seine Studien und Praktiken beschäftigen sich mit verschiedenen Yogastilen wie zum Beispiel Iyengar-, Asthanga- und Sivananda-Yoga. Dabei liegt ihm der achtstufige Pfad des Patanjali besonders am Herzen. Darüber hinaus beschäftigt er sich intensiv mit der taoistischen, buddhistischen und indischen Philosophie. Patrick Oancia ist ferner ein begeisterter Radrennfahrer, Musiker und Snowboardfahrer. Internet: www.yogajaya.com
Unter welcher Überschrift würdest du dein Leben zusammenfassen?
Ich war immer sehr motiviert, die wahre Wirklichkeit hinter den Dingen, die ich erlebe, zu erkennen. Ich liebe es, etwas über verschiedene Menschen, Ideen und Methoden zu lernen. Ich möchte auch meine eigenen subjektiven Prozesse besser verstehen. Ich glaube, das beschreibt mein Leben, ohne einen speziellen Titel dafür zu haben.
Welche Eigenschaften möchtest du lieber vor anderen Menschen verstecken?
Die kitschigen Seiten. Zum Beispiel habe ich als Kind die Beach Boys geliebt und zu deren Album „Little Deuce Coupe“ vor dem Spiegel Playback gesungen. Ich kann auch schlechte Laune haben, und obwohl ich mit dem Alter immer gelassener werde, möchte ich nicht unbedingt, dass jemand diese Seite an mir kennenlernt.
Wenn du einige Zeit auf einer einsamen Insel verbringen müsstest, welche drei Bücher würdest du gerne mitnehmen?
„Der Fänger im Roggen“ von J.D. Salinger, „Sputnik Sweetheart“ von Haruki Murakami und „Einbruch in die Freiheit“ von Krishnamurti.
Was bedeutet Yoga für dich persönlich?
Yoga bedeutet für mich zunächst, ein objektives Verständnis meines eigenen, subjektiven neurologischen Zustandes zu erhalten und so vollständig assimiliert durch die Welt, in der wir leben, zu navigieren, um dann möglicherweise dadurch in einen überbewussten kollektiven Status des Seins zu gelangen.
Was war deine tiefste Erfahrung während einer Yoga-stunde?
Während eines tiefen Meditationsretreats hatte ich das Gefühl, dass ich vollkommen die Verbindung zu der Realität, die wir normalerweise über die Sinne erleben, verloren hatte. Obwohl ich zu dieser Zeit schockiert war, war es entscheidend für mein auf Erfahrung gegründetes Verständnis des menschlichen Potenzials, das Bewusstsein über Raum und Zeit hinweg zu erforschen.
Was ist dein liebstes Asana?
Ich habe viele, aber Gherandasana gefällt mir sehr gut.
Welches Asana machst du nicht?
Baddha Konasana, denn ich habe fortgeschrittene Athritis, und es kann wirklich sehr herausfordernd sein, mit dem brennendem Schmerz umzugehen, der plötzlich auftaucht.
Wie wichtig ist die formale Praxis für dich?
In dem gegenwärtigen Paradigma, in dem wir leben, habe ich das Gefühl, dass die formalen Aspekte der Yogapraxis einem sehr dabei helfen können, empathischer mit anderen Ideen umzugehen. Wir können uns dann hoffentlich verschiedenen Möglichkeiten des Verständnisses öffnen, die über das Konventionelle hinausgehen. Ich sage das als jemand, der normalerweise eher intuitiv lernt. Ich habe angefangen, auch andere Lernarchetypen zu respektieren, und habe die Möglichkeit umarmt, sie zu nutzen, um all meine Erfahrungen zu konsolidieren.
Was glaubst du, warum du hier auf der Erde bist?
Das ist eine gute Frage. Es hat offensichtlich etwas mit der subjektiven Erfahrungswelt zu tun. Ich möchte hierzu gerne Isaac Asimov zitieren: „Das Leben ist angenehm. Der Tod ist friedlich. Es ist der Übergang, der schwierig ist.“
Gibt es irgendjemanden oder irgendetwas, dem du nicht widerstehen kannst?
Mitten im schneereichen Winter in einem japanischen Bad mit heißen Quellen in der Natur zu liegen und dabei an einem Glas kaltem „Junmai Daiginjo-Shu“ (japanischer reiner destillierter Sake) zu nippen.
Was braucht die Yogaszene hier in Europa deiner Meinung nach?
Wie an jedem Ort, den ich innerhalb dieser blühenden Yogagemeinschaften besuche, würde ich mir ein größeres Miteinander unter den Yogastudios wünschen und weniger Rivalität. Alles, was es braucht, ist eine klare Kommunikation und gegenseitige Rücksichtnahme, damit es funktioniert. Leichter gesagt als getan. Aber es ist möglich!
Wenn du dir deine Wiedergeburt aussuchen könntest, wer wärst du dann gerne in deinem nächsten Leben?
Eine Frau!