Um Osho ist es in den Medien ruhiger geworden – was aber nicht heißt, dass er nicht mehr beachtet würde. Seine Bücher verkaufen sich von Jahr zu Jahr besser. Manch ein Lebenslauf wird durch die Begegnung mit dem Guru von Grund auf umgekrempelt
„Und? Hast du auch einen Sannyas-Namen?“ fragt der ältere Einlasskontrolleur beim Osho-Festival in Bellaria, Italien. Als der Besucher verneint, hört er als Entgegnung, dass es ja auch im Grunde nicht so wichtig sei. Äußerlichkeiten, wie die orangefarbene Kleidung der Bhagwans in den 1970er Jahren, sind den Anhängern von Osho im Jahr 2015 anscheinend nicht mehr so wichtig. Das Osho-Festival an der Adria ist das größte Europas. Rund 400 Italiener kommen hier für vier Tage zusammen, um zu meditieren, sich Vorträge anzuhören und zu tanzen. Beim „Trance Dance“ werden am Einlass Augenbinden verteilt, die man „bitte auch die ganze Zeit anbehalten“ möchte, weist die charmante Italienerin am Einlass hin. Die Teilnehmer befolgen diesen Hinweis, und zur Musik einer kleinen Band mit opulentem Schlagzeug tanzt eine bunt gemischte Schar von Menschen in Gymnastikkleidung. Die Männer sind im Durchschnitt etwas älter als die anwesenden Frauen, hier und da sieht man eine hölzerne Mala-Kette unter der Kapuzenjacke.
Im Kreuzfeuer der Presse – oder: „Ganz entspannt im Hier und Jetzt!“
Im zweistündigen Männerseminar (im Nebenraum findet das Frauenseminar statt) geht es um die Mutter, ein für den durchschnittlichen Italiener wohl immer noch brisantes Thema. „Warum ziehen viele Männer in eurem Land, wenn ihre Beziehung zerbrochen ist oder sie sich scheiden lassen, wieder zur Mutter zurück?“ fragt der grauhaarige Dozent mit amerikanischem Akzent in die Runde. „Die Krise, man kann sich keine eigene Wohnung leisten“, hört man im Gemurmel. Auf diese Antwort hat der Vortragende nur gewartet. „Nein! Wer als Erwachsener zurück zur Mutter zieht, hat im Grunde nur eine einzige reale Beziehung gehabt, nämlich die zu seiner Mutter. Mit ihr hat er noch nicht abgeschlossen“, schmettert er seine These in die bisweilen ängstlichen Gesichter.
Auch Osho liebte es, zu provozieren. Auf youtube lassen sich viele Aufzeichnungen seiner Reden ansehen. Auffallend sind dabei sein tief in sich ruhendes Wesen und seine druckreifen, bedächtigen Worte, Englisch mit indischem Akzent. Sein in die Ferne gerichteter Blick wirkt nach: Es scheint so, als würde er […]