Wie wäre es, wenn du dein Herz jeden Morgen fragen würdest, was es von dir braucht, damit ihr gut zusammenleben könntet? Ein Erfahrungsbericht zeigt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn wir nach innen lauschen und dem, was sich zeigt, radikal folgen – oder auch nicht.
Vor einigen Monaten besuchte ich ein Retreat von Chris Germer, einem amerikanischen Psychologen und Buddhisten, der die Praxis des Selbstmitgefühls auf eine wunderschöne und sehr berührende Weise lehrt. In diesem Intensivkurs kam ich wieder einmal mit meinem Herzen in Berührung. Es hatte mir schon oft in Seminaren oder Meditationen Hinweise gegeben, was zu tun und was zu lassen ist, aber ich hatte es immer wieder vergessen. In diesem Seminar hingegen sagte mein Herz: „Folge mir doch mal bis zum Ende des Jahres. Vertraue mir. Es sind ja nur drei Monate.“
Ich willigte ein und zuhause angekommen versetzte ich mich in die Meditation und fragte mein Herz, was es sich als Erstes von mir wünschen würde. Die Antwort kam prompt. Nicht nur in dieser Meditation, sondern in allen darauffolgenden. Ich schrieb jeden Wunsch auf und versuchte, ihm so unmittelbar und so konsequent wie nur eben möglich zu folgen. Ich tat es ohne zu zögern und ohne Kompromisse. Seitdem ist mein Leben leichter. Die Wünsche meines Herzens sind oft diametral entgegengesetzt zu dem, was mein Verstand will. Und auch in solchen Momenten, in denen ich Angst vor den Konsequenzen habe, die entstehen, wenn ich meinem Herzen folge, ist die Kraft des Herzens viel größer, als die des Verstandes. Und irgendwie fühlt sich mein Leben plötzlich viel schlüssiger und geführter an.
Diese Meditation mache ich auch mit meinen Teilnehmern. Die häufigste Botschaft des Herzens lautet „Stille“ und „Ruhe“. Und besonders bei den Menschen, die so stark im Außen sind, so viel in Seminare gehen und so oft auf die Ratschläge anderer hören, kommt diese Botschaft schon fast mit einem flehenden Unterton. „Bitte, bitte höre doch endlich mal auf mich. Ich bin dir doch viel näher, als alle anderen!“ Und obwohl diese Menschen auch wissen, dass das was sie am meisten bräuchten, Stille und Ruhe ist, so jagen sie weiter und suchen im Außen nach einem Rezept und einer Zauberformel, die ihr Leben auf einen Schlag ändern würde.
Verantwortung übernehmen
Besonders berührt hat mich das Herz einer Teilnehmerin. Ich nenne sie hier Beatrix (Name geändert). Ihr Herz wollte Klarheit. Und so begann Beatrix damit, mehr Klarheit in ihr Leben und vor allem in ihre Arbeit zu bringen. Ihre Kolleginnen waren erstaunt und ihre Chefin begann zu weinen, als Beatrix ihr gegenüber zum ersten Mal in ihrer zehnjährigen Anstellung eine klare Stellung bezog. Die Tränen erschreckten Beatrix allerdings so sehr, dass sie die Herzmeditation wieder einstellte und sich auf die Beobachtung des eigenen Atems beschränkte.
Dem eigenen Herzen zu folgen macht im ersten Moment oft Angst. Weil wir Selbstverantwortung übernehmen müssen, für das, was uns im wahrsten Sinne des Wortes wirklich am Herzen liegt. Lassen wir uns von der Angst jedoch nicht einschüchtern, so gibt es in meinen Augen und aus meiner eigenen Erfahrung heraus nur diesen einen Weg: den Weg unseres Herzens.
Ein Weg für Mutige
Natürlich braucht es ein bisschen Mut, dem eigenen Herzen zu folgen. Besonders für Menschen, denen in der Kindheit das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung genommen wurde, ist dieser Weg eine besonders große Herausforderung.
Aber: nur Mut! Denn am Anfang des Herzensweges steht die Liebe, die mit uns gemeinsam gehen möchte. Und wenn wir den Weg aus der Liebe herausgehen, dann brauchen wir keine Angst zu haben, dass uns etwas passiert.
Hab Mut! Spring! Spring in die Mitte deines Herzens. Bade in ihm und lebe aus ihm heraus. Und wenn es dir heute nicht gelingt, dann an einem anderen Tag, in einem anderen Jahr oder vielleicht auch erst in einem anderen Leben. Aber irgendwann führt jeder Weg in das eigene Herz.