Durch die hingebungsvolle Praxis von Yoga-Asanas das Göttliche ehren.
Obgleich es viele Hatha-Yoga-Praktizierende überraschen mag – die früheren Yogis hatten die Asana-Haltungen des Yoga entwickelt, um den Körper zu einem geeigneten Gefäß für die Verehrung des Göttlichen zu formen. Ein nicht bereinigter Körper behindert die geistige Reinigung. Früher oder später, hier oder woanders, wird er für den Geist, der Verehrung, Gebet oder Meditation ausüben möchte, Widerstände bilden. Deshalb wurde dieses tapas, Asana genannt, konzipiert.
Ein Asana eignet sich hervorragend dafür, als Verehrungsritual ausgeführt zu werden. Der Mensch heutzutage ist gewohnt, sprechend zu beten, inspirierende Worte zu äußern, usw. Eine Gottesverehrung hingegen, die den Körper als Mittel verwendet, geriet nahezu völlig in Vergessenheit. Doch gelten Geist, Sprache und Handlung für einen Wahrheitssucher als Einheit. Dementsprechend muss bei der auf Verehrung gerichteten Yoga-Praxis jeder Teil des Körpers mitbeteiligt sein.
Dies zeichnet nicht speziell nur die Ausübung von Asanas aus. Klassischer indischer Tanz z.B. beginnt immer mit einer gesungenen Rezitation, einer verehrenden Evokation, einer Anrufung des Göttlichen. In den Tempeln Indiens entwickelte sich der Tanz als Akt der Gottesverehrung.
Der Körper des Tänzers stellte die Geschichten zahlloser großer Inkarnationen dar. Die Vorstellung des Tanzes als Verehrung mag dem Westen vielleicht seltsam erscheinen. Doch war es immer auch Bestandteil westlicher Traditionen: Musik, Theater und Tanz waren der Gottesverehrung vorchristlicher europäischer Religionen, jener der nordamerikanischen Indianer, wie selbst jener des frühen Christentums einverwoben. Die „Passionsspiele“, zu Ostern in katholischen Schulen und Kirchen aufgeführt, sind ein übrig gebliebener Rest aus jener Zeit.
Eine Hymne für den Körper
Ein Yoga-Asana, das den Einsatz der ganzen Persönlichkeit zum Zweck der Verehrung besonders erkennbar werden lässt, ist der Sonnengruß, der surya namaskar. In Indien sitzt man während der Morgen- und Abendverehrung meist mit dem Gesicht zur Sonne. In der christlichen Überlieferung symbolisiert die Sonne Christus; und diese wieder aufgegangene Sonne kennzeichnet Ostern.
Die Sonne repräsentiert das Licht. Es erscheint ideal, vor Sonnenaufgang aufzuwachen. Die Yogis betrachten diese Zeitphase vor Sonnenaufgang als brahmamuhurta, die Stunde Brahmans oder die Stunde Gottes. Naturgemäß bietet sich diese Zeit zur Gottesverehrung, tapas, oder jedem anderen Übungsritual besonders an. Frühmorgens können Sie sich hinstellen und zur Sonne blicken. Tatsächlich bedeutet das Sanskritwort für Verehrung, sandhya, auch Morgen- oder Abenddämmerung, die Konjunktion von Tag und […]