Interview mit dem amerikanischen Kriya-Yoga-Lehrer Marshall Govindan über die verschiedenen Zustände von Samadhi, das Erwachen der Kundalini und warum Erleuchtung jenseits von allem zu finden ist.
Herr Govindan, Sie sagen, dass Samadhi lediglich ein Zustand des Geistes ist, der jedoch noch lange keine Erleuchtung bedeutet. Was ist dann Erleuchtung?
Erleuchtung ist ein Zustand, der sich auf dauerhaftem Samadhi gründet. Dieses kommt jedoch nur sehr selten vor. In den meisten Fällen der Erfahrung von Samadhi kommen die geistigen Bewegungen zur Ruhe, und man ist sich der absoluten Wirklichkeit und Glückseligkeit, „Sat-Chit-Ananda“, gewahr. Nach einiger Zeit, kehrt man jedoch zum gewöhnlichen Körperbewusstsein zurück, obwohl noch ein verbleibendes Gefühl der Ruhe, und/oder höherer intuitiver Achtsamkeit vorhanden sein kann. Es haben vielleicht weniger als tausend Menschen in den letzten 3000 Jahren Erleuchtung erlangt, jedoch bestimmt 50-mal mehr die Erfahrung des Samadhi gemacht.
Im Zustand der Erleuchtung gibt es nichts als ein permanentes Erwachen in ein höheres Bewusstsein von „Ich bin“. Hierbei ist es egal, ob der Geist nun im Zustand des körperlichen Bewusstseins, also vorrangig mit Gedanken oder Tagträumen beschäftigt ist und weltlichen Tätigkeiten nachgeht, oder ob er während des Schlafens träumt oder schläft ohne zu träumen. Im fest verwurzelten Bewusstsein von „Ich bin“ gibt es keine Dualität mehr. Man empfindet das Einssein mit allem.
Ist der Nirvikalpa-Samadhi (permanenter, höchster transzendentaler Bewusstseinszustand) das Resultat des Erwachens der Kundalini und ihrer Vereinigung mit Shiva im Sahasrara-Chakra?
Das Erwachen der Kundalini ist eine mögliche energetische Dimension des Nirvikalpa-Samadhi. Aus der Perspektive desjenigen, der im samadhi ist, gibt es keine Dualität. Dort sind die Chakren, die Kundalini usw. lediglich mentale Vorstellungen, Erfahrungen oder Phänomene, die keine Bedeutung haben. Im Laufe der verschiedenen Stadien des persönlichen Sadhana (spirituelle Disziplin), können Kundalini-Erfahrungen einschließlich der unterschiedlichsten energetischen Empfindungen oder Visionen vorkommen oder auch nicht.
Es gibt Meister, wie z.B. Ramana Maharshi, die direkt in den Zustand der Erleuchtung eingetreten sind, ohne vorher durch solche Kundalini-Erfahrungen hindurchgegangen zu sein. Er pflegte zu sagen, dass Chakras nicht existieren, und aus seiner absoluten Perspektive hat er recht. Es ist nichts von Dauer um unsere Chakras herum, weder unser Körper noch unsere Vorstellungen darüber. Das meiste, was heutzutage auf Kundalini-Erfahrungen zurückgeführt wird, ist nur ein energetisches Lösen von Blockaden in Menschen, […]