Spiritualität mit Konsumcharakter: von unachtsamen Suchenden und der „Mein Lehrer, meine Erfahrung, meine Retreats“-Mentalität
Kennen Sie das, wenn spirituell Suchende mit ihren Erfahrungen prahlen wie andere mit ihrem BMW? Erwischen Sie sich gar ab und an selbst dabei? Und übersehen Sie vor lauter Achtsamkeit auch manchmal die deutlichsten Hinweise im Alltagsleben?
In den fetten Jahren der Wirtschaft wurde der Reichtum eines Menschen ganz offensichtlich am äußeren Wohlstand festgemacht: das Auto, die Uhr, die Kleidung und die Arbeit verrieten einiges über den Status eines Menschen. Die Zeiten ändern sich. Viele Menschen haben gemerkt, dass ein Mercedes Benz, eine Rolex, Armani und der Vorstandsposten alleine nicht glücklich machen und Erfolg auch nicht alles bedeutet. Menschen, die das erkannt haben, haben sich aufgemacht und den Blick nach innen gerichtet. Viele sind es geworden. Das lässt sich zumindest an der Zahl der Meditationszentren, Seminarhäuser und Yogaschulen erahnen. Aber sind sie wirklich so viel anders unterwegs als diejenigen, die dem Höher-Besser-Weiter-Prinzip noch anhängen?
Auf den ersten Blick zählen bei spirituell interessierten Menschen scheinbar andere Werte, gleichzeitig aber wird auch hier kräftig konsumiert. Zumindest erscheint es so. Unterhalte ich mich hier und da auf Seminaren, Retreats oder Fortbildungen mit Sinnsuchenden, sind sie immer bemüht, mir als erstes die Jahre der spirituellen Praxis mitzuteilen sowie die Meditationslehrer, unter denen sie meditiert und praktiziert haben, und von den schön gelegenen Retreatplätzen in Asien, USA und Europa zu berichten, an denen sie waren. Aber das, worum es eigentlich geht – die Integration von Achtsamkeit, Bescheidenheit, Demut, Mitgefühl, Einsicht und nicht zuletzt die Integration der spirituellen Erfahrungen in den Alltag, in die intimen Beziehungen, den Umgang mit Kollegen und dem Planeten, bleiben oftmals unerwähnt.
Offensichtlich ist es doch ein weiter Weg von unseren Einsichten auf dem Meditationskissen hin zur Integration ins eigene Leben. Wie weit, fiel mir erst wieder vor kurzem auf, als ich eine Fortbildung für Mediziner von Dr. Jon Kabat-Zinn zum Thema Mindfull Based Stress Reduktion (MBSR) am Benediktushof in Holzkirchen besuchte. Das Thema war „Achtsamkeit“. Und wie groß der Wunsch ist, Achtsamkeit im Beruf anzuwenden, zeigte sich an der hohen Teilnehmerzahl der Fortbildung. Waren es doch insgesamt 150 Ärzte, Psychotherapeuten, Yogalehrer und Coaches, die sich von Jon Kabat-Zinn und Saki Santonelli […]