Eine durch jala neti gereinigte, freie Nase steigert die Lebenskraft und vertieft garantiert Ihre Meditation. Probieren Sie‘s!
Die Bedeutung des Atems ist jedem Yoga-Praktizierenden von der ersten Unterrichtsstunde an bekannt. Es gibt spezielle Atemübungen, Pranayama, doch auch bei den Asanas, den Körperübungen des Hatha-Yoga, und in der Meditation ist die Achtsamkeit stets auf den Atem gerichtet, sei es die ruhige und tiefe Bauchatmung zur Entspannung oder kompliziertere Techniken mit speziellen Motivationen. Mir klingt noch die Antwort meines ersten Yoga-Lehrers auf die Frage eines alten, steifen und herzkranken Herrn im Ohr, ob er denn Yoga praktizieren könne.
Mehr als eine Antwort war es eine Rückfrage: „Atmen Sie?“ Der alte Herr bejahte verwundert. „Wenn Sie atmen, dann können Sie auch Yoga machen.“ Solange der Atem im Körper wohnt, solange ist Leben da, heißt es schon in der Hatha Yoga Pradipika.
Die Beobachtung der alten Yogis war, dass sich mittels des Atems das Denken lenken lässt, ja das ganze Leben. In manchen Schriften heißt es sogar, dass ein hektischer Atemrhythmus den Vorrat an Lebensenergie schneller verbraucht – je langsamer und ruhiger man folglich atmet, desto länger wird das Leben sein. Desto länger, und desto erfüllter und harmonischer. Sie werden vielleicht selbst schon einmal die Erfahrung gemacht haben: wenn Sie erregt oder ärgerlich sind, dies aber beizeiten bemerken und auf einen tiefen und ruhigen Atem achten, dann fließt mit der Bauchatmung auch Ruhe und fröhliche Gelassenheit in Sie hinein.
Freie Nase
Voraussetzung für alle Arbeit mit dem Atem ist jedoch eine freie Nase. Durch die Nase nehmen wir das „nährende“ Prana auf, das sich in der kosmischen Luft befindet. So besteht ein ständiger Austausch dieser Energienahrung mit dem Lebensprana, das wir als Geschenk der höheren Schöpfung in uns tragen. Es leuchtet ein, dass für diesen wichtigen Vorgang freie Bahn gegeben sein muss.
Doch nicht nur prinzipiell frei sollte die Nase sein, möglichst sollte diese Durchlässigkeit in gleichen Maßen für beide Nasenlöcher gelten. Wie auf so vielen Ebenen im Yoga-System, repräsentieren auch die beiden Nasenlöcher die Dualität der Welt, die vereinigt und überwunden werden soll. Das rechte Nasenloch nimmt männliche, aktive, solare Energie auf, das linke weibliche, empfangende, lunare.
Ist eine Seite chronisch verstopft oder durch eine Verschiebung des Nasenbeins blockiert, kann dies zu einem Ungleichgewicht in der betroffenen Person führen. Beispielsweise Hibbeligkeit und Unruhe bei einer Dominanz des linken Nasenlochs, da dann der Ausgleich durch die stabilere solare Energie fehlt, die durch das rechte Nasenloch einfließt. Gleichmäßiges Atmen durch beide Nasenlöcher behebt ein solches Ungleichgewicht dauerhaft, und damit auch die Symptome in Verhalten und Lebenseinstellung.
Jala-Neti
Ein einfaches Mittel, um Verstopfungen in der Nase zu lösen und ideale Voraussetzungen für Atemübungen zu schaffen, ist die Nasenspülung. Traditionell wird sie mit Wasser durchgeführt und heißt dann Jala-Neti (jala = Sanskrit: Wasser).
Für die tägliche Praxis ist die Verwendung einer einfachen Salzlauge empfehlenswert, als Richtmaß gilt ein gestrichener Teelöffel auf 0,5 l körperwarmem Wasser. So wird ein Salzgehalt von 0,9 % erzielt, was dem Salzgehalt des Blutes entspricht. Das Wasser sollte etwas weniger salzig schmecken als Meerwasser. Schleimabsonderungen und Verkrustungen werden damit ebenso herausgeschwemmt wie unerwünschte Fremdkörper wie Staubpartikel, Viren oder Bakterien.
Auf der Analogieebene können wir das Salz als das männlich-aktive, handelnde Element betrachten, während das Wasser die empfangende Weiblichkeit symbolisiert, die sich mit Lust und Liebe dem Fluss des Lebens hingibt.
Die regelmäßige Durchführung von Jala-Neti stellt sicher, dass beide Nasenlöcher gleichmäßig durchlässig werden, die Energiebahnen, durch die Prana in den Körper fließt, werden gereinigt. Oft kommt es zu Beginn vor, dass das Wasser auf der einen Seite nicht so recht fließen möchte. In einem solchen Fall ist es angezeigt, die Seite mehrmals kurz hintereinander zu wechseln, in der Regel öffnet sich die Blockade durch starke Schleimverkrustungen dann. Erst wenn dies auch nach mehreren Wochen der Neti-Praxis nicht funktioniert, sollte man einen Arzt aufsuchen, um festzustellen, ob eine strukturelle Blockade vorliegt.
Bewusstheit und Bereitsein
Im Yoga wird über die feinstoffliche Ebene und das Bewusstsein der Körper beeinflusst. Der Körper ist nur eine Ebene, im System der fünf Koshas ist er der Annamaya-Kosha zugeordnet. Diese physische Ebene, die „Hülle aus Essen“ steht in Wechselwirkung mit den anderen, feineren Hüllen. Körperliche Symptome sind eine Folgeerscheinung von Blockaden im feinstofflichen Energiesystem. Andersherum wirkt sich die Reinigung auf Körperebene, wie sie zum Beispiel durch Jala-Neti oder die übrigen fünf Shatkarma-Reinigungstechniken erzielt wird, auch positiv auf die Behebung von Gleichgewichtsstörungen auf den anderen Ebenen aus.
Sind die Nadis gereinigt, können sie mehr und gleichmäßiger Prana aufnehmen. Eine freie Nase symbolisiert auch: Ich bin bereit, ich möchte mich weiterentwickeln, ich kann mehr Energie aufnehmen und transformieren.
Durch die Aufmerksamkeit, die wir mit der Nasenspülung unserer Nase und dem freien Fluss des Atems zuteil werden lassen, stärken wir automatisch das Bewusstsein für die Atmung an sich. Es ist ein erster Schritt zu einem bewussten Umgang mit dem Atem und seinem Einsatz als erste Hinführung zur Meditation. Oder eine wertvolle Unterstützung und Fortführung einer bereits bestehenden Meditationspraxis.
Konkrete Unterstützung der Meditation
Die physiologische Wirkung der yogischen Nasenspülung erstreckt sich zudem durch die Zirbel- und Hirnanhangdrüse auf das endokrine System und auf die Region des Ajna Chakras. Die regelmäßige Jala-Neti-Praxis macht sich beim Meditieren bemerkbar. Ebenso wie sich Nasen- und Rachenraum sauber und gereinigt anfühlen, herrscht auch im Geist Frische und Klarheit.
Intuition, Vorstellungskraft und Konzentration werden gestärkt sowie die Wahrnehmung im geistigen und sinnlichen Bereich. Forgeschrittene Neti-Varianten können diese Ergebnisse noch intensivieren, so z.B. das Einziehen von Wasser durch den Mund und Ausschneuzen durch die Nase (Shitakrama Kapalbhati Neti), die Verwendung von Urin anstelle von Wasser (Svamutra-Neti), die Sutra-Neti-Technik, bei der die Nase mit einem Baumwollfaden gereinigt wird oder die aus den Panchakarma des Ayurveda stammenden Naseneinläufe (Nasya-Karma) mit Öl und Kräutermischungen. In diese Techniken sollte man allerdings von einem erfahrenen Lehrer eingeführt werden.
Jala-Neti hingegen ist leicht genug in der Anwendung, um es sich selbst beizubringen. Es reinigt, erhöht die Widerstandskräfte des Körpers und bereitet ihn für die Aufnahme von höheren Energien vor. Und vor allem setzt es an der Wurzel des Lebens an: dem Atem. Zu diesem Bewusstsein führt uns Jala-Neti, und dort öffnet sich uns das Tor zu tiefer Meditation.
Mehr Info
Literatur: Narayan Chöyin Dorje, „Das Yoga-Neti-Handbuch“, Windpferd-Verlag 2004, ISBN 3-89385-451-7, Euro 7,90