Den Blick vom Haben aufs Sein richten. YOGA AKTUELL sprach mit dem Kirchenkritiker Eugen Drewermann über die schizophrene Logik des in der Finanzkrise propagierten Kaufrausches, die grundlegenden Unterschiede zwischen Religion und Politik und einen humanen Einsatz der Errungenschaften unserer Zivilisation
Gerade zu Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise sind wir heute besonders aufgefordert, alles was wir tun und denken, zu hinterfragen und in die richtige Richtung zu lenken. Denn nur so können wir einen sinnvollen Beitrag dazu leisten, dass sich die Orientierung einer materialistisch ausgeprägten Gesellschaft vom Haben zum Sein verändert. Und nur so können wir noch ein paar Jahre hier auf diesem Planeten leben. Wenn wir bewusst, umsichtig und mitfühlend leben, können wir darauf hoffen, dass es, in welcher Form auch immer, gut mit uns weitergeht – und auch für die kommenden Generationen.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Was kann der einzelne Bürger tun, um an einer Änderung der derzeitigen Situation mitzuwirken?
Eugen Drewermann: Dass sich etwas ändert, ist aus der Sicht eines Einzelnen schwer zu erreichen. Aber natürlich können wir darüber nachdenken, wie unser Wirtschaftssystem sich ändern müsste, wie unsere Lebensweise sich ändern würde. Da sind lauter widersprüchliche Anweisungen, die uns von den Politikern gegeben werden und wo wir eigentlich nur eine Ordnung in der persönlichen Lebensführung anstreben könnten. Man sagt uns zum Beispiel, dass wir auf Altersversicherung bedacht sein sollen. Jetzt haben Leute vor 10, 15 Jahren begonnen, sich als Aktionäre zu betätigen und damit die entsprechenden Unternehmen unter einen erbarmungslosen Renditesanierungszwang zu setzen. Nun haben wir das Malheur, die Wirtschaftskrise. Viele sind um all das gebracht worden, was sie sich als Lebenssicherung erhofft haben. Sie verlieren gerade ihr ganzes Geld. Gleichzeitig verkündigt die Regierung, dass uns die geradezu notwendige Überlegung des Binnenmarktes auferlegt ist, diejenigen seien die wahren Patrioten, die jetzt in einen Kaufrausch verfallen. Z.B. diejenigen, die sich durch die Abwrackprämie ein Auto kaufen, die jetzt ihre Häuser renovieren, die irgendetwas in dieser Art tun und dadurch Arbeitsplätze schaffen. Was ist mit den Leuten, die gerade erlebt haben, dass sie gar nichts mehr tun können? Wie die zunehmenden Arbeitslosen in irgendeiner Weise in den Kaufrausch verwickelt sein könnten, lässt sich genauso wenig erkennen. Er fördert die Leute, die sowieso schon eine Menge Geld hatten, und macht sie […]