Auf der Suche nach dem Meister der Ruhe – wie Grundschulkinder durch Yoga lernen, sich selbst wieder mehr zu spüren
Gesucht wird ein Meister der Ruhe. Er bekommt keinen Preis, keine Medaille, noch nicht einmal Schokolade. Sein Lohn wird allein der sein, ruhiger geworden zu sein, für ein paar Stunden oder vielleicht zwei Tage. Immerhin.
„Wer wird heute ein Meister der Ruhe?“, fragt David Karmeli. 13 Kinder sitzen um ihn herum, Erstklässler. Sie wetzen auf ihren roten Gymnastikmatten umher. Manche feixen noch in Richtung Spiegelwand, als Eva im blauen Kleidchen und Elay im grünen Pullover mit feierlicher Miene die Klangschalen anschlagen. Karmeli setzt sie ein, um die Körper der Kinder „zum Schwingen“ zu bringen. Ihmmmmmm, mihmmmm – zwei zarte, aber anhaltende Töne finden Gehör bei den Schülern. Sie sind wie ein Startschuss für die Suche nach Ruhe, nach einem Meister der Ruhe im mit orangefarbenem Linoleumboden ausgelegten Gymnastikraum unterm Dach der Isaak-Emil-Lichtigfeldschule im Frankfurter Nordend, während draußen auf einer nahen Baustelle ein Presslufthammer hämmert.
Es ist ein Dienstagmorgen, und wie an jedem Dienstagmorgen in diesem Schuljahr wird David Karmeli Geduld aufwenden müssen für die Erstklässler und mit sanfter Stimme ein paar Fragen wiederholen: „Bewegt sich der Bauch, wenn wir atmen? Wer kann mit Augen zu dasitzen? Für wen ist es leicht, für wen anstrengend? Wer wird heute ein Meister der Ruhe? Roman?“ Und langsam werden die Kinder, wird auch Roman ruhiger. Am Ende der Stunde dürfen sich Natalie, Toke, Eva und drei, vier andere als Meister der Ruhe fühlen. Natürlich steckt viel Wohlwollen in dieser Beurteilung, „aber“, sagt David Karmeli, „es ist schon viel besser als vor drei Monaten“. Hasmik, ein Mädchen ganz in Rosa, ahnt, warum sie und ihre Klassenkameraden Yoga machen: „Damit wir auch bei Frau Lüth ruhiger werden.“ Tatsächlich hat Klassenlehrerin Ulrike Lüth beobachtet, seit den wöchentlichen Yogastunden gingen einige, wenn auch nicht alle, rücksichtsvoller miteinander um. Nicht nur im Unterricht, auch bei den Freiarbeiten, sagt sie. „Sie suchen von sich aus Ruhephasen.“
Wiederholt lässt Yogalehrer Karmeli die Kinder von einer Hatha-Yoga-Stellung in die andere wechseln, vom Fersensitz in die „Katze auf dem Sprung“, von der „Kobra“ in den „Hund“ und dann in den „Sprinter“. Er lässt sie Sonne und Erde grüßen. Er mahnt sie, langsamer […]