Herbstzeit ist Kinozeit. Wenn die Tage kürzer werden, es draußen kalt und ungemütlich ist, zählt ein Kinobesuch zu den schönen Beschäftigungen dieser Jahreszeit. Und wenn es sich dann noch um einen so bereichernden, beruhigenden und aufbauenden Film wie „But Beautiful“ handelt, ist ein Kinobesuch hierfür schon fast ein Muss. Alleine deshalb schon, weil er so viele wunderschöne, ausdrucksstarke, ästhetische Bilder hat.
Herbstzeit ist auch die richtige Zeit, um die Perspektive zu wechseln und den Blick auf Menschen zu richten, die ausgestiegen sind aus dem Hamsterrad dieser immer lauter schneller und verrückter werdenden Welt anstatt an denen zu verzweifeln, die immer noch an ein permanentes Wachstum glauben.
Mit seinem neusten Werk hat sich der Filmemacher Erwin Wagenhofer aufgemacht, um eben solche Menschen zu porträtieren. Es sind Männer und Frauen, die ganz eigene, unkonventionelle Lebenswege beschreiten, weil ihr Verlangen nach einem Leben in Verbundenheit mit der Natur, sich selbst und anderen so groß war, dass sie Ängste und Zweifel hinter sich gelassen haben. Es sind Menschen, die diese Verbundenheit in der Musik finden, in der Natur oder in der Gesellschaft und an das WIR glauben. Einem jeden von ihnen gibt Wagenhofer eine Stimme und genügend Raum, ihre Arbeit und ihre Vision zu beschreiben.
Wir lernen Bunker Roy kennen, den Mitbegründer des Barefoot College im indischen Rajasthan. Er glaubt an die Kraft der Frauen und unterstützt diese darin, sich zu Solaringenieurinnen ausbilden zu lassen. Zutiefst berührend sind die Kameraeinstellungen, die diese Frauen bei ihrer Arbeit zeigen. Die Kamera ruht auf ihnen und verleiht ihnen Würde, Schönheit und Achtung. In mir entsteht sofort ein Gefühl von Verbundenheit mit ihnen.
Der Zuschauer – oder besser gesagt wir – gehen mit dem Förster und Holzbildhauer Erwin Thoma durch den verschneiten Wald, wo er uns anhand der Baumringe den Lebensverlauf eines solchen Wesens beschreibt. Wieder zutiefst berührend. Wieder zutiefst verbindend. Der Wald ist für Thoma ein großer Lehrmeister, weil er mit allen anderen Bäumen kooperiert – besonders dann, wenn einem Baum in Krisenzeiten das Wasser ausgeht.
Wir reisen mit Wagenhofer nach La Palma und begegnen dort Erich und Barbara Graf, die über viele Jahre hinweg 5.000 Quadratmeter Ödland mit Permakultur zu neuem Leben erweckt haben. Auch sie berühren mich durch ihre Liebe zum Land, ihre Liebe zum Leben. Besonders die Szene, in der die beiden einen neuen Baum pflanzen, geht mir nahe. Mit so viel Liebe und so viel Zuwendung setzen sie ihn in die Erde ein, dass es mir ganz warm ums Herz wird und ich es ihnen am liebsten heute noch gleichtun möchte.
Wir werden berührt von den Gesängen der kolumbianischen Sängerin Lucia Pulido. Ihr Gesang ist so wunderschön, so weiblich, so verbindend, so kraftvoll, so reich… So verführerisch stundenlang über sie zu schwärmen. Sie möchte Frauen darin unterstützen, ihre eigene Stimme zu finden, ihrer eigenen Weiblichkeit Ausdruck zu verleihen.
Und dann begegnen wir dem Dalai Lama in Dharamsala auf der Life & Mind Konferenz, der uns unmissverständlich zu verstehen gibt, dass das Wichtigste, was er in seiner jahrzehntelangen Meditationspraxis erfahren hat, die Tatsache ist, dass alles miteinander verbunden ist und nichts unabhängig voneinander existiert. Zum ersten Mal lerne ich auch seine Schwester kennen, Jetsun Pema, die in ihrer Rolle als Präsidentin der tibetischen Kinderdörfer auf eindrucksvolle Weise Mitgefühl und Verbundenheit verkörpert.
Und dann gibt es noch den Trompeter Mario Rom und den Jazzpianisten Kenny Werner, die uns durch den ganzen Film tragen mit ihren Klängen, die unmittelbar von Herz zu Herz fließen.
Ein jeder von ihnen vermittelt die Schönheit der Verbindung auf eine ganz eigene Art und Weise. Sie alle verleihen mir persönlich ein Gefühl von Ruhe und der Gewissheit, dass es sich immer wieder lohnt, aus gewohnten Wegen auszusteigen und den ganz eigenen, persönlichen Weg zu gehen – wissend, dass es irgendwo auf der Welt ebenfalls Menschen gibt, die dies gerade tun und sich auf diese Weise ein ganz neues Netz der Verbundenheit spinnen kann. Ein Netz zum Wohle aller Wesen.
Auch wenn für mich persönlich Herbstzeit Kinozeit ist und dieser Film mit seiner Ruhe und Schönheit die Zeit der Innenschau einläutet, so wünsche ich Wagenhofer und seiner Frau Sabine Kriechbaum, die mit ihm die Drehbücher schreibt, dass man diesen Film auch noch im nächsten Frühjahr und Sommer in allen großen Kinos in Deutschland sehen wird.