Der moderne Yoga im Blick von Wissenschaftlern: verschiedene Yogatypen unserer Zeit
Die moderne Welt bedeutet Vielfalt, viele leben ein individuell gestaltetes Leben und picken sich aus Altem Nützliches heraus, um es im neuen Mantel wieder zu verwenden. Losgelöst von rostigen Schienen können sich auch Yogaübende aus einem breiten Spektrum ihren eigenen Weg aussuchen. Doch sollte auch etwas Vorsicht bei der Wahl eine Rolle spielen, denn moderner Yoga, in all seinen Facetten, kann auch esoterische Oberfläche oder strengen Gehorsam gegenüber einem Guru bedeuten. YOGA AKTUELL hat mit zwei Wissenschaftlern gesprochen, die sich auf akademischer Ebene mit dem Yoga und seinen modernen Strömungen beschäftigen: Dr. Karl Baier und Dr. Christian Fuchs. Beide Experten haben sich nicht ausschließlich theoretisch mit dem Yoga auseinandergesetzt, denn beide sind jahrelang praktizierende Yogis.
Tradition und Moderne
Der Rückgriff auf und die Legitimation durch traditionelle Wurzeln liest sich in beinahe jedem Programm einer modernen Yoga-Schule. Dr. Karl Baier, Religionswissenschafter an der Universität Wien, macht jedoch bewusst: Trotz einer Traditionslinie ist das, was wir heute praktizieren, kein traditioneller Yoga. Die Formen des Yoga, die heute weltweit praktiziert werden, sind nicht älter als 150 Jahre und sie sind mit der indischen Tradition oft nur lose verbunden. Und das gilt auch für indische Schulen, die sich auf den Westen und seine Art, spirituell weiterzugehen, eingestellt haben. Grob lassen sich, so Baier, drei unterschiedliche Typen des modernen Yoga ausmachen: Der neohinduistische, der körperzentrierte und der Yoga der Verbände. Ersterer sei religiös motiviert, die Vertreter definieren sich meist selbst als Hindus, aber nur dann, wenn Übende schon zum engeren Kreis gehören. Kommen neue Leute hinzu, um mit dem Yoga zu beginnen, sind diese Strukturen oft nicht zu spüren, es wird ein Angebot öffentlich zugänglich gemacht, das einem erlaubt, früher oder später dem engeren Kreis hinzuzutreten. Zweiterer Typ ist vor allem an den Asanas und dem Pranayama interessiert, die religiöse Verehrung des Guru oder hinduistischer Gottheiten spielt nur marginal eine Rolle. Auch wenn diese Schulen gut für spirituelle Erfahrungen geeignet sind, wird im Rahmen des Unterrichts keine Interpretation angeboten. Den dritten Typus beschreibt Baier als „neohinduistischen Yoga ohne Hinduismus«. Er wird von den nationalen und internationalen Yogaverbänden vertreten, findet sich aber als Typ auch außerhalb dieser Organisationen. Er stellt eine Art Mittelposition zwischen den […]