Therapie aus der Seele heraus: Jean-Pierre Crittin, Autor des Buches „Ayurvedische Psychologie“, zeigt die Stärken einer spirituell ausgerichteten Psychologie auf, die beim unverwundbaren Kern des Menschen ansetzt
Aus dem ganzheitlichen Ansatz des Ayurveda ist im Westen ein verhältnismäßig junger neuer Zweig, die ayurvedische Psychologie, entstanden. Die Entdeckung, dass sich aus den alten indischen Philosophien eine neue Psychologie entwickeln lässt, führte zu vielen neuen Sichtweisen, welche die bisherigen westlichen psychologischen Schulen um eine interessante, spirituell ausgerichtete Psychologie bereichern. In der Praxis der psychologischen Beratung und Therapie bewährt sich die ayurvedische Psychologie ausgezeichnet, indem relativ schnelle und tiefgreifende Verbesserungen eines Zustandes erreicht werden können. Ebenso eignen sich die ayurvedisch-psychologischen Erkenntnisse ausgezeichnet für Yoga und für die Schulung von Menschen in den Themenbereichen Lebensgestaltung, Lebensqualität, Persönlichkeitsentwicklung, Sozialkompetenz sowie mentale Steuerung und Führung.
Welches sind nun die wesentlichen Inhalte der ayurvedischen Psychologie und die Unterschiede zu den bekannteren westlichen psychologischen Systemen?
Die Seele, das wahre Selbst, im Vedanta „atman“, oft auch „jivatman“ genannt, ist unsterblich, unverletzbar, unzerstörbar und voller Energie. Die Seele ist der individuelle Anteil des Göttlichen in einem Lebewesen.
Alle vedisch-philosophischen Systeme gehen von der Reinkarnation (Wiedergeburt) und dem Karma aus. Reinkarnation bedeutet, dass die unsterbliche Seele nach dem Tode der grobstofflichen Hülle zusammen mit dem Karma, der Konsequenz aus Handlungen aus der Vergangenheit, in einem neuen Körper ins irdische Leben zurückkehrt. Dies so lange, bis sie Erleuchtung gefunden hat. Für die ayurvedische Psychologie zeigt dies vorerst ganz allgemein das Verhältnis zwischen Beständigkeit und Vergänglichkeit auf, im Besonderen aber, wo das wahre Selbst wohnt und welche Bedeutung die Seele als einzig beständiges Element hat. Aus ayurvedisch-psychologischer Sicht führt es zu Harmonie und Stärke, wenn jemand sein wahres Selbst entdeckt und den Kontakt zu diesem wahren Selbst aufrechterhalten kann. Im Kontakt zum wahren Selbst können sich von innen heraus behindernde Blockaden auflösen. In einem Punkt stimmt diese Aussage auch mit Aussagen der humanistischen Psychologie überein, welche die Seele als „wahres Selbst“ und guten Kern des Menschen bezeichnet. Nur weist der Vedanta viel stärker und klarer darauf hin als die humanistische Psychologie. Das Entscheidende aber ist, dass erstens die Anerkennung der Seele als Anteil des Göttlichen im Menschen die Basis für die Spiritualität in der ayurvedischen Psychologie darstellt. Mit Spiritualität ist weniger […]