Nicht nur der Ayurveda, auch die regional unterschiedliche indische Volksheilkunde weiß mit Gewürzen ganz gezielt umzugehen. Die besten Tipps aus beiden heilkundlichen Traditionen kennt Kerstin Rosenberg
Seit jeher zählen Kräuter und Gewürze zu den Grundpfeilern der hiesigen und der asiatischen Naturheilkunde. Auch Ayurveda schöpft aus einer unermesslichen Vielfalt von altüberlieferten Rezepturen und Verwendungsformen für Gewürze und Kräuter im medizinischen und therapeutischen Bereich.
Viele davon sind auch bei uns weit verbreitet: So hat sich zum Beispiel der regelmäßige Genuss von Ingwerwasser bereits im lifestyle-geprägten Gesundheitstrend fest etabliert, doch nur wenige wissen, dass dieses legendäre Morgengetränk im Ayurveda als klassisches Hausmittel gegen einen ernährungsbedingt erhöhten Choleste-rinspiegel, Thrombosen, Asthma oder Arthritis eingesetzt wird. Um die Wirkung zu optimieren, sollte jedoch in der Zubereitung zwischen getrocknetem und frischem Ingwer unterschieden werden: Der frische Ingwer (ardraka) wirkt mit seinem scharfen Geschmack nach der Verdauung (katuvipaka) stärker reinigend und abbauend, und der getrocknete Ingwer (sunthi) hat durch seinen süßen Geschmack nach der Verdauung (madhuravipaka) eine mildere und aufbauende Wirkung.
In der klassischen Ayurveda-Literatur sind die Heilqualitäten vieler Gewürze, Nahrungsmittel, Heil- und Küchenkräuter ausführlich beschrieben. Laut der Dravyaguna-Lehre entspringt die Heilkraft eines Gewürzes unmittelbar seiner spezifischen Wirkungsweise durch den Geschmack (rasa) und die Eigenschaften (guna). Diese entscheiden über Menge und Darreichungsform im therapeutischen Einsatz. Als weitere aktive Prinzipien sind die Potenz (virya), der Effekt nach der Verdauung (vipaka), die Wirkung (karma) und spezielle, nicht direkt erklärbare Wirkungsweisen (prabhava) sehr wichtig für den differenzierten, pharmakologischen Einsatz von Nahrungsmitteln, Gewürzen und Kräutern.
Auf diesem Wissen basieren die heutige Ayurveda-Medizin und -Pharmakologie ebenso wie die altüberlieferten Hausrezepturen der indischen Volksheilkunde. Während jedoch Erstere an über 220 indischen Universitäten gelehrt und wissenschaftlich aufgearbeitet werden, drohen die alten Hausmittel der ayurvedischen Heiler (Vaidyas) aus den regionalen Familientraditionen Indiens in Vergessenheit zu geraten. Um dies zu verhindern, ist in Bangalore die Foundation for Revitalisation of Local Health Traditions (FRLHT) aktiv. Die Stiftung hat dank großzügiger Spenden der indischen Auto-Industrie ein Budget in Millionenhöhe, welches für den Erhalt der alten indischen Naturheilkunde verwendet wird. In den letzten Jahren wurden dadurch bereits über 20.000 Gewürze, Kräuter und Heilpflanzen in ihren verschiedenen Populationen, Vegetationszonen und Anwendungsbereichen katalogisiert, dokumentiert und durch Schaffung von Naturschutzgebieten in ihrem Erhalt gefördert. Damit ist ein Meilenstein zum Erhalt […]