Yogalehrer werden heute wie am Fließband ausgebildet, die Prioritäten in der Yogapraxis sind oft fragwürdig. Wie weit sich Yoga vom klassischen Ideal entfernt hat
Der bekannte Indologe und Religionswissenschaftler Mircea Eliade brachte in seinem Buch „Yoga. Unsterblichkeit und Freiheit“ einen wesentlichen Aspekt des Yoga zum Ausdruck: „Das, was Yoga charakterisiert, ist nicht nur sein praktischer Aspekt, sondern auch seine initiatische Struktur“. Damit machte Eliade deutlich, dass Yoga genauso wie alle anderen spirituellen Praktiken nur dann sinnvoll ist, wenn er von einem Eingeweihten angeleitet wird, der eigene, direkte Erfahrungen mit den Phänomenen und Realisationsstufen des yogischen Pfades gemacht hat. Nur dann kann der Schüler im Laufe der Zeit tiefe Erkenntnisse über die transformierende Wirkung des Yoga haben. Eliade ging sogar so weit, zu behaupten, dass der Guru im Idealfall den letzten spirituellen Gipfelpunkt aller yogischen Bemühungen erreicht haben sollte, nämlich die Erleuchtung (bodhi) bzw. die Befreiung (moksha). Mit dieser Weisheit ausgestattet, gab der Lehrer sein umfassendes und geheimes Wissen entsprechend des jeweiligen Bewusstseinsstandes im Verlauf vieler Jahre an seinen Schüler weiter. Hierbei handelt es sich aber nicht nur um ein kognitives Wissen, das verbal ausgedrückt werden kann. Es umfasst jenes tiefe Wissen, das mit dem Verstand nicht gedacht werden kann, sondern mit dem Herzen erfasst wird, um dann vollkommen im göttlichen Bewusstsein aufzugehen. Vieles von dem, was der Lehrer seinem Schüler im Laufe der Zeit vermittelt, gibt er ihm mit Hilfe einer spirituellen „Energie-Übertragung“ (shaktipata) weiter. Dabei handelt es sich um tiefe spirituelle Einsichten über die Zusammenhänge des Lebens und Sterbens. Durch die Wissensübertragung des Lehrers wird der Schüler in seinem Ringen um die transzendentale Verwirklichung auf besondere Art und Weise gesegnet, und der damit initiierte Yogi erlebt so die notwendige Umkehrung (paravrtti), die seine spirituelle Entwicklung nachhaltig beeinflusst: Er beginnt, das Reale, das Selbst jenseits des Ich zu erkennen und sich ihm durch die yogische Praxis immer mehr anzunähern. Es ist jene Dimension des Seins, die hinter dem Schleier des alltäglichen Bewusstseins liegt. Diese zu erkennen, ist zugleich der Weg und das Ziel des Yoga. Einen solchen Weg zu gehen, zeigt einen tiefen Wunsch nach Selbst-Realisation, denn das Ich aufzugeben, ist keine lustvolle Erfahrung, sondern eher eine schmerzhafte Angelegenheit. Schließlich baut unsere ganze Identität auf unserem Ich auf.