Kann Yoga auch im größeren sozialen und politischen Kontext zu Frieden, Konfliktlösungen und Verständigung beitragen? Auf welchen Ebenen entfaltet sich dieser Einfluss, und wie kann man ihn fördern?
Flüchtlingskrise, Bürgerkriege, religiös fanatische und terroristische Bedrohungen, das Scheitern von Finanz- und Wirtschaftssystemen … Hat Yoga ein politisches Wirkungspotenzial, das bei den drängenden Problemen unserer Zeit helfen kann? Mit dieser übergeordneten Frage wende ich mich an Politiker und Wirtschaftsexperten in Deutschland, Großbritannien und Amerika.
Einer meiner Gesprächspartner, der ungenannt bleiben möchte, blickt nach Südamerika. Auch dort sprießen die Yogastudios aus dem Boden. Von ihm möchte ich wissen, wie es möglich ist, inneren Frieden über Yoga zu finden, wenn in einem Land im Äußeren Bürgerkrieg und wirtschaftliches Elend vorherrschen. Die soziale Ungleichheit ist nach wie vor das zentrale Thema in Lateinamerika. Sie kann als einer der Hauptgründe für die revolutionären Bewegungen Mitte der 1960er Jahre genannt werden. Erfolgreich waren diese nur in Kuba und in Nicaragua. In Kolumbien sind die sozialen Gegensätze seit vielen Jahrzehnten besonders krass. Hinzu kommen die häufigen Naturkatastrophen. Die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit der Armee, den Paramilitärs und den linken Guerilla-Gruppen wie FARC und ELN als Hauptakteuren haben unvorstellbares Leid bewirkt: über 200.000 Tote, mehrere 10.000 Verschwundene und über 7 Millionen Vertriebene. Umso wichtiger war es, dass der 2012 begonnene Friedensprozess mit der FARC Ende 2016 zu einem erfolgreichen Abschluss kam. Deutsche Nichtregierungsorganisationen, die Hilfswerke der Kirchen sowie Privatleute leisten seit vielen Jahren praktische Unterstützung und zeigen Solidarität mit den Opfern des Bürgerkriegs. Die Bundesregierung unterstützt seit Langem beherzt die Friedensinitiativen, engagierte sich aktiv in den Friedensverhandlungen und ernannte dafür einen eigenen Beauftragten, den früheren Bundestagsabgeordneten Tom Koenigs. Der kolumbianische Präsident Santos hat gegen große Widerstände im eigenen Land den Friedensprozess vorangetrieben und dafür 2016 den Friedensnobelpreis erhalten. Ich möchte von meinem Gesprächspartner wissen, ob Yoga zu Selbstermächtigung und Freiheit derer führen kann, die unter korrupten Regimen, Guerilla-Kämpfern und zerstrittenen Parteien gelitten haben.
Er empfindet es besonders unter solchen widrigen Umständen als „notwendig und wertvoll, mittels Yoga Zuflucht in sich selbst zu finden. Yamas und Niyamas liefern dafür das ethisch-moralische Fundament.“ Nicht umsonst werde Yoga in lateinamerikanische Reintegrationsprogramme eingebunden. So helfe in Kolumbien eine so genannte Reintegrationsagentur früheren bewaffneten Kämpfern der Paramilitärs und der Guerilla, ins zivile Leben zurückzufinden. […]