Ich möchte ihn schon lange gehen – den Jakobsweg in Spanien. So viele Menschen hat er schon dazu bewegt, einmal für ein paar Wochen alles Bekannte hinter sich zu lassen und nur mit zwei Rucksäcken loszuwandern. Zwei? Ja, den physischen und den, den wir energetisch mit uns tragen. Denn, so heißt es: Wir nehmen unsere Geschichte, unsere Ahnen, unser Karma und unsere Bestimmung überall mit hin. Nun bin ich ihn gegangen, allerdings nur ein kleines Stück in Deutschland. Wunderbar und sehr empfehlenswert!
In meinen Träumen bin ich den Jakobsweg schon öfters gegangen. Aber im täglichen Leben hat mir dazu irgendwie immer die Zeit gefehlt – und der Mut. Ja, es braucht schon Mut, sich ganz auf sich alleine zu verlassen. Auf den eigenen Körper, das eigene Durchhaltevermögen und den eigenen Willen, tatsächlich auch in Santiago de Compostela anzukommen.
Wer also keine Zeit hat, nach Spanien zu reisen und dort wochenlang zu gehen, der kann klein anfangen – habe ich mir dann gedacht, als ich realisiert habe, dass der Jakobsweg sogar durch München, meinem Wohnort geht! Schließlich heißt es ja auch: Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.
Diesen habe ich getan; und viele weitere folgten. Ich bin einfach zusammen mit einer Freundin in München vom Jakobsplatz losgelaufen. Hier verläuft der Jakobsweg entlang. Aber nicht nur hier: Wie ein Spinnennetz verläuft er durch ganz Deutschland, so dass man häufig in der Nähe des eigenen Wohnortes in Richtung Spanien loslaufen kann – zum Ziel dieses alten Pilgerweges. Ob man einen Tag, eine Woche, einen Monat oder ein ganzes Jahr läuft, das kann man selbst entscheiden bzw. den eigenen Lebensumständen entsprechend planen.
Das Ziel der Wanderung festlegen
Die meisten Menschen gehen den Jakobsweg, weil sie eine Frage an das Leben habe, weil ein Schicksalsschlag sie getroffen hat oder weil sie sich selbst neu begegnen möchten. Selbst dann, wenn man nur ein paar Tage unterwegs ist, kann man in der Natur beim Laufen wundervolle Erfahrungen machen, sich mit der Natur verbinden und mit der eigenen Quelle in Kontakt kommen. Apropos mit der Natur verbinden: Das ist auch das Titelthema unserer derzeitigen Printausgabe und dort kannst du noch jede Menge weitere Tipps finden, um der Natur etwas näher zu kommen.
Ich selbst habe meine viertägige Wanderung auf dem Jakobsweg dem Wohl aller Wesen gewidmet. Es war eine wirklich schöne Erfahrung, diese Widmung unterwegs immer wieder auszusprechen: „Mögen alle Wesen glücklich sein. Mögen alle Wesen sicher sein. Mögen alle Wesen gesund sein. Mögen alle Wesen frei von Leid sein.“ Ich rezitiere diesen buddhistischen Segensspruch generell sehr häufig und sehr gerne, denn er gibt mir ein Gefühl der tiefen Verbundenheit mit allen Wesen.
Also, wenn auch du Lust hast, den Weg mal zu gehen, sei es auch nur für einen Tag, dann überlege dir, was dein Herz bewegt, worauf du eine Antwort suchst oder womit du dich über diese Wanderung verbinden möchtest – oder wem du diese Wanderung widmen möchtest.
Kontempliere deine Absicht
Meine Freundin und ich haben uns zu Beginn unserer Wanderung darüber verständigt, während der Gehzeiten zu schweigen. Das war eine sehr gute Entscheidung, weil es uns beiden die Möglichkeit gegeben hat, ganz mit uns und der Natur zu sein. Immer wieder sind uns auf den Wegen Wanderer begegnet, die sich die ganze Zeit über alles Mögliche unterhielten, aber ich hatte das Gefühl, dass sie die Schönheit des Weges gar nicht wirklich mitbekommen haben.
Besonders dann, wenn du eine Frage in dir trägst, ist das Schweigen eine gute Gelegenheit, eine Antwort aus deinem Herzen – deiner Quelle – oder aus der Natur heraus zu erhalten. Hör in dich hinein. Lausche der Natur. Achte darauf, was sie dir zu sagen hat. Sie hält alle Antworten für uns bereit. Wir brauchen uns nur dafür zu öffnen.
Bleibe im Moment
Der Jakobsweg stellt eine wundervolle Möglichkeit dar, Achtsamkeit zu praktizieren und Schritt für Schritt ganz im Moment zu sein. Da Sein. Mit allen Sinnen. Die Natur riechen, schmecken, sehen und fühlen.
Es war eine wunderschöne Erfahrung, tagelang so nah in der Natur zu sein. So viele Vögel haben extra für uns gesungen. So kam es mir zumindest vor. Obwohl ich die einzelnen Abschnitte des Weges von München her bereits gut kenne – wie Schäftlarn, Starnberger See und Andechs – gab es so viel Neues zu entdecken: Kleine Täler und traumhafte Schluchten, die ich vorher mit dem Rad oder Auto nicht wahrgenommen habe und das, obwohl ich bereits so lange hier wohne. Umso schöner war es, einfach nur Schritt für Schritt zu gehen und mit der ganzen Aufmerksamkeit die Schönheit der Landschaft zu erleben sowie die kraftspendende Energie der Region aufzunehmen.
Lass alles los
Der Jakobsweg stellt eine wundervolle Möglichkeit dar, zu überprüfen, ob das, was du in deinem Rucksack trägst, wirklich zu dir gehört. Ich sprach anfangs von einem physischen Rucksack und von einem energetischen Rucksack. Oftmals tragen wir Lasten auf unseren Schultern, die gar nicht zu uns gehören: familiäre Altlasten oder gesellschaftliche Erwartungen zum Beispiel können uns das Leben schwer machen. Wenn wir realisieren, was nicht zu uns gehört, dann können wir solche Lasten gut unterwegs auf dem Weg abgeben. Du kannst zum Beispiel das, was nicht zu dir gehört, auf einen Zettel schreiben und symbolisch dem Wasser übergeben oder aber in einem kleinen Feuer verbrennen und dem Himmel übergeben.
Nutze die Wanderung, um dich von all dem zu befreien, was nicht zu dir gehört!
Nach meinen ersten vier Tagen auf dem Jakobsweg habe ich Feuer gefangen und werde gleich nächste Woche wieder ein paar Tage gehen. Und irgendwann kommt vielleicht der Zeitpunkt, wo ich dann nach Santiago de Compostela gehen werde. Das kann aber noch etwas dauern, weil der Weg in Spanien sehr überlaufen sein muss. Bis dieser Hype wieder abgeflacht ist, laufe ich lieber die Jakobswege in Deutschland. Schließlich ist es der Erleuchtung oder der Antwort auf eine Sinnfrage ganz egal, wo man sie erlangt.
Weitere Informationen u.a. unter: www.deutsche-jakobswege.de