Die Wunden, die während der Diktatur Pol Pots in Kambodscha entstanden, sind noch lange nicht geheilt. Yoga kann eine wundervolle Unterstützung auf diesem Weg sein. Petra Scholz unterrichtet im Rahmen eines Charity-Projektes in Phnom Penh Ashtanga Yoga.
Es ist früh am Morgen, und ich fahre mit meiner kleinen blauen Vespa durch die Straßen von Phnom Penh. Vor sieben Uhr ist die Luft ist noch angenehm kühl, und ich genieße meinen Weg durch die noch verhältnismäßig ruhigen Straßen. In wenigen Stunden wird sich die Stadt in ein quirliges, bunt lärmendes Durcheinander aus Händlern, Arbeitern und Müllsammlern, Tuk-Tuks, Lastenkarren und Mopeds verwandelt haben. Von alldem ist jetzt aber noch nichts zu merken, und die Drei-Millionen-Stadt dämmert noch in ihrem morgendlichen Schlummer.
Ich bin auf dem Weg zum „Nataraj Yoga Studio“, wo um 6.30 Uhr meine Yogaklasse beginnt. Die Khmer – so heißt die größte Bevölkerungsgruppe des Landes – sind Frühaufsteher. Da die Sonne schon am Vormittag heiß vom Himmel brennt und die hohe Luftfeuchtigkeit träge macht, wird Sport oder körperliche Betätigung nach Möglichkeit in die frühen Morgenstunden verlegt. Nach einer sanften Ashtanga-Praxis gleiten meine Schüler in eine tiefe Entspannung und tanken Kraft für den anstehenden Tag. Der kündigt sich mittlerweile auch durch den lauter werdenden Chor aus quietschenden Bremsen, Hupen und lauten Rufen vor dem Studio unüberhörbar an.
Das Trauma eines Landes
Das Yogastudio befindet sich in Boeung Keng Kang, einem lebendigen Viertel mitten in Phnom Penh. Hier leben viele Expats und Mitarbeiter der zahlreichen in Kambodscha tätigen Hilfsorganisationen, die versuchen, dem schwer traumatisierten Land wieder auf die Beine zu helfen. Die Diktatur Pol Pots und seiner Roten Khmer von 1975 bis 1978 hat tiefe Wunden gerissen, an denen das Land und die Menschen noch heute leiden. So spürt man zum Beispiel deutlich, dass die „Alten“ fehlen. Nicht nur Künstler, Intellektuelle und Mönche, sondern alle, die „irgendwie anders“ waren, wurden damals verfolgt und mussten als vermeintliche Regimekritiker um ihr Leben bangen. Wer irgendwie konnte, flüchtete. Dennoch fanden mehr als drei Millionen Khmer den Tod. Fast jeder hat in dieser Zeit Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte verloren.
Das Fehlen beinahe einer gesamten Generation macht sich nicht nur im Altersdurchschnitt des Landes bemerkbar, der unter 25 Jahren liegt. Auch den Verlust des geistigen Kulturguts und […]