Er gilt als einer der beliebtesten Gottheiten im Buddhismus: Avalokiteshvara. Sein Mitgefühl für alle Wesen ist so umfassend und groß, dass er als Inbegriff der bedingungslosen Liebe betrachtet wird. Er gilt auch als Repräsentant für das tiefe Mitgefühl, das alle Buddhas den Wesen gegenüber empfinden. Als Bodhisattva des Mitgefühls wird er weltweit am häufigsten verehrt. Der Dalai Lama gilt als eine männliche Inkarnation dieser Gottheit. Obwohl Avalokiteshvara ein Bodhisattva ist und er alle Gegensätze überwunden hat und deshalb keine Geschlechtszugehörigkeit hat, und obwohl es auch in den kanonischen Texten des Buddhismus keine Hinweise auf weibliche Bodhisattvas gibt, haben sich in China, Vietnam und Japan auch weibliche Darstellungen Avalokiteshvaras (Guanyin, Quan-âm, Kannon) entwickelt und hohe Popularität erlangt.
Erkennungsmerkmale
In den tantrischen Schulen wird Avalokiteshvara häufig mit tausend Armen und elf Köpfen abgebildet. Jeder dieser Arme hält ganz unterschiedliche Dinge. Manchmal lassen diese elf Arme auch Blumen regnen. Die tausend Arme stehen für die unendlich vielen mitfühlenden Aktivitäten, die der Buddha ausführt, um allen Wesen zu dienen.
Auf buddhistischen Abbildungen hält Avalokiteshvara häufig einen Lotos in der Hand. Deswegen wird er auch „Padmapani“ genannt. Damit symbolisiert er die absolute Reinheit. Der Lotos wurzelt im Schlamm und muss sich durch diesen ans Licht kämpfen. Und so wie diese außergewöhnliche Pflanze rein ist, wenn sie an der Wasseroberfläche erstrahlt, so bleibt auch dieser Bodhisattva aufgrund seiner spirituellen Werte unbefleckt und rein.
Was bedeutet der Name?
Sein Name hat verschiedene Bedeutungen. Im Sanskrit bedeutet er: „der Herr, der auf die Welt herabschaut“. In anderen Traditionen übersetzt man diesen Namen freier mit „der dem Laut der Welt lauscht“.
Darstellungen und Bedeutungen Avalokiteshvaras
Innerhalb des Buddhismus betrachtet man Avalokitheshvara unterschiedlich. Im Theravada-Buddhismus wird er der männlichen Form zugeordnet. Im Mahayana-Buddhismus wird er als jemand dargestellt, der bereit ist, sich vollkommen und so lange in den Dienst aller Wesen zu stellen, bis alle von den Traumata dieser Welt befreit sind. Diese totale Hingabe entstand, weil er zutiefst berührt war, als er das Leiden der Menschheit sah und erkannte, dass die Menschen nicht in der Lage waren, die Ursachen des Leids zu erkennen. Er war zutiefst betroffen und weinte so viele Tränen, dass sie einen See bildeten und ein Lotos aus ihm hervorging, aus dem die Göttin Tara erwuchs. Es heißt auch, dass unsere Tränen, die wir vergießen, wenn auch wir aus Mitgefühl weinen, in diesen See fließen werden.
Was genau ist Mitgefühl eigentlich?
Es heißt, dass Mitgefühl jedem Menschen innewohnt. Allerdings haben wir verlernt, den sinnbildlichen Muskel des Mitgefühls zu trainieren, weil wir meistens aus einer sehr starken Ich-Bezogenheit denken und handeln. Empathie ist die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Aber nicht jeder, der empathisch ist, ist auch gleichzeitig mitfühlend. Mitgefühl beinhaltet immer den Wunsch, einem anderen zu helfen und Freude oder Heilung zu bringen. Mitgefühl kann intuitiv entstehen, oder aber wir kultivieren es durch eine besondere Praxis, wie die Metta-Meditation. Sie ist die wohl bekannteste Meditation des Mitgefühls.
Avalokitheshvaras Mantras
Weltweit wird dieser Bodhisattva besonders häufig mit dem Mantra om mani padme hum angerufen. Übersetzt wird es meist als „Juwel in der Lotosblüte“.
Das Juwel symbolisiert die Form von Mitgefühl, die alles umfasst, also alle Wesen zu allen Zeiten. Deshalb wird om mani padme hum auch gerne als das wichtigste Mantra rezitiert, wenn es um die Praxis des Mitgefühls geht. Jede der einzelnen Silbe hat bereits eine starke spirituelle Wirkung. Deshalb werden sie traditionell den sechs Vollkommenheiten, auch Paramitas genannt, zugeordnet, die ein praktizierender Buddhist normalerweise anstrebt. Unter diesen Vollkommenheiten versteht man Geisteshaltungen, die den Weg zur Erleuchtung ebnen. Sie unterstützen uns darin, mit dem fertig zu werden, was uns im Alltag begegnet und uns aus unserer Mitte bringt. Sie helfen uns, uns nicht von Ärger, Gier, Neid, Eifersucht, Faulheit etc. beherrschen zu lassen. Die Paramitas sind: Großzügigkeit, ethische Selbstdisziplin, Geduld, Ausdauer, geistige Stabilität und Weisheit.
In der spirituellen Praxis dienen Mantras als eine klangvolle Ausdrucksform, die den Praktizierenden mit dem Göttlichen verbinden kann. Sie stellen sozusagen eine Art Brücke zum Göttlichen dar. Neben om mani padme hum gibt es noch andere Mantras, die mit Avalokiteshvara verbunden sind. Sie alle dienen als eine Art himmlischer Aufruf zur Erweckung des Mitgefühls in uns selbst.
Die folgenden Mantras werden besonders gerne verwendet, um sich mit dem Gott des Mitgefühls zu verbinden. Wenn auch du dich mit diesem Bodhisattva verbinden möchtest, kannst du diese Mantras rezitieren. Unterstützend ist es, ein Bild von Avalokiteshvara auf dem Altar zu haben oder ein Bild von ihm zu betrachten. Dadurch kannst du noch einmal tiefer mit dieser Gottheit in Resonanz gehen.
Besonders empfehlenswert ist die Rezitation, wenn du in deinem Umfeld einen Menschen hast, der sich gerade in einer Krise befindet, jemand krank ist oder du dir selbst oder einem anderen Menschen gegenüber mehr Mitgefühl kultivieren möchtest.
Nama Saptn Samyaksabuddha Kon Tadyath o cale cule cunde svh
On Arurikya Sowaka
Namah Srimadavalokiteshvaraya
Die Metta-Meditation
Da sich der „Muskel“ des Mitgefühls trainieren lässt wie jeder andere Muskel auch, ist es ratsam, diese Meditation regelmäßig und über einen längeren Zeitraum zu machen. Praktizierenden passiert es anfangs immer wieder, dass sie die Sätze wie Lippenbekenntnisse aufsagen. Aber je häufiger die Sätze wiederholt werden und je mehr der Praktizierende mit der ganzen Aufmerksamkeit und mit dem ganzen Herzen bei der Sache ist, desto mehr wird er tatsächlich ein tiefes Mitgefühl entwickeln und aus tiefstem Herzen heraus sein Mitgefühl in die Welt schicken.
- Möge ich glücklich sein.
- Möge ich mich sicher und geborgen fühlen.
- Möge ich gesund sein.
- Möge ich unbeschwert leben.
- Möge ich in meinem Herzen wohnen.
- Möge ich sicher und geborgen sein.
- Möge ich Heilung und Frieden finden.
- Möge ich glücklich sein.
- Möge ich frei sein von Angst
- Möge ich frei sein von Schmerz.
- Möge ich frei sein von Kummer.
- Möge ich frei sein von Gefahr.
Bei der traditionellen Metta-Meditation beginnen wir mit uns selbst und öffnen unser Herz dann immer mehr, so wie es hier in der angeleiteten Meditation der Fall ist.
Geführte Metta-Meditation: Mitgefühl
- Möge ich in meinem Herzen wohnen.
- Möge ich sicher und geborgen sein.
- Möge ich Heilung und Frieden finden.
- Möge ich glücklich sein.
- Mögest du in deinem Herzen wohnen.
- Mögest du sicher und geborgen sein.
- Mögest du Heilung und Frieden finden.
- Mögest du glücklich sein.
- Möget ihr in eurem Herzen wohnen.
- Möget ihr sicher und geborgen sein.
- Möget ihr Heilung und Frieden finden.
- Möget ihr glücklich sein.
- Möget ihr in eurem Herzen wohnen.
- Möget ihr sicher und geborgen sein.
- Möget ihr Heilung und Frieden finden.
- Möget ihr glücklich sein.
- Mögest du in deinem Herzen wohnen.
- Mögest du sicher und geborgen sein.
- Mögest du Heilung und Frieden finden.
- Mögest du glücklich sein.
- Mögest auch du in deinem Herzen wohnen.
- Mögest auch du sicher und geborgen sein.
- Mögest auch du Heilung und Frieden finden.
- Mögest auch du glücklich sein
- Mögen alle Wesen in ihrem Herzen wohnen.
- Mögen alle Wesen sicher und geborgen sein.
- Mögen alle Wesen Heilung und Frieden finden.
- Mögen alle Wesen glücklich sein.
Zum Weiterlesen:
Lama Zopa Rinpoche: The Power of Mantra: Vital Practices for Transformation, Wisdom Publications 2022
M. Brauen: Die Dalai Lamas. Tibets Reinkarnationen des Bodhisattva Avalokiteshvara, Arnoldsche; 1. Edition 2005