Wohl keine andere Jahreszeit eignet sich besser als der Herbst, um sich von altem Ballast zu befreien. Nutze diese Zeit, um all das hinter dir zu lassen, was nicht mehr zu dir passt. Lass einfach los! Dann hast du den Kopf und beide Hände wieder für Neues frei. Hier erfährst du, wie dir dies mit Leichtigkeit gelingt.
Der Wind fegt derzeit die letzten Blätter von den Bäumen. Auch für sie heißt es: Loslassen! Für mich sieht es nicht so aus, als würden die Blätter und der Baum aneinander festhalten. Die Natur geht mit dem, was ist, und was im jeweiligen Moment ansteht: Loslassen im Herbst. Ruhen im Winter. Erblühen im Frühling. Ernten im Spätsommer. Loslassen im Herbst.
Wir können es den Bäumen gleichtun. Einfach loslassen! In unserer Printausgabe Oktober/November 2017 (YOGA AKTUELL Nr. 106) haben wir diesem Thema ebenfalls Raum gegeben. Denn gerade jetzt können wir so viel von der Natur lernen. Es bieten sich zahlreiche Gelegenheiten zur Bewusstseinserweiterung, wenn wir nicht festhalten. Auch wenn es uns noch so schwer fällt, so hat doch das Loslassen eine zentrale Bedeutung in unserem Leben. Nicht umsonst wird die Bedeutung des Loslassens in den wichtigen Yogaschriften immer wieder thematisiert. Und die ganze Yogapraxis möchte uns darin unterstützen, weniger an Dingen und Menschen, an Meinungen und Vorstellungen festzuhalten.
Häufig sind wir aber so im Stress und sind so absorbiert von den Anforderungen des Alltags, dass wir gar nicht genau wissen und spüren, was genau uns Energie raubt, was uns nicht guttut und an wem oder was wir festhalten. Deshalb lautet die erste Empfehlung: Halte inne und werde still.
Halte inne und werde still
Rund um die Uhr werden wir überflutet mit Informationen, Nachrichten, Emails etc. Ein Großteil dieses Inputs besteht aus Werbung. Sie vermittelt uns das Gefühl, dass es noch etwas braucht, damit wir glücklicher werden, gesund bleiben, besser schlafen, effektiver arbeiten, harmonischer leben und schöner lieben. Das hat zur Folge, dass wir selbst gar nicht mehr wissen, was uns guttut. Damit wir aber überhaupt wieder in Kontakt mit uns kommen, mit unseren Bedürfnissen, unserem Bauchgefühl und unserer Intuition, müssen wir erst einmal innehalten und still werden. „Leer werden“ sagen die Buddhisten dazu und verwenden gerne das Bild einer Tasse Tee die überläuft, wenn man mehr Tee in die Tasse gießt, als diese eigentlich fassen kann.
Halte inne. Schalte das Handy, deinen Laptop und dein Tablet aus und werde still. Werde leer. Atme ein und aus. Lass noch mehr los. Du wirst sehen, wie viele Informationen auch dann noch durch dich hindurchfluten, wenn du einfach nur dasitzt und aus dem Fenster schaust oder wenn du auf der Yogamatte praktizierst oder meditierst. Genieße den Moment, wenn es in dir ruhiger wird und du dich selbst wieder spürst. Deinen Atem. Deinen Körper. Dein Sein. Deine Quelle. Nur so wirst du erkennen, was nicht zu dir gehört. Nur so kannst du loslassen, was dich von dir selbst trennt.
Mach dich entbehrlich
Kennst du das? Du vereinbarst Termine, obwohl du erschöpft bist und dein Körper Ruhe braucht. Du nimmst Aufträge an, obwohl du längst ausgelastet bist. Du bietest deine Hilfe an, obwohl du selbst schon am Rand der Erschöpfung angelangt bist. Das passiert schnell, wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Hilfe unentbehrlich ist oder aber wir nicht delegieren können. Hierzu gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute zuerst: Natürlich bist du einzigartig. Und niemand kann dich in deiner Einzigartigkeit ersetzen. Die schlechte Nachricht: Auch wenn es paradox klingt, aber auch ohne dich wird sich die Erde weiterdrehen, die Sonne auf- und untergehen und die Dinge werden erledigt werden, die du bislang erledigt hast. Und die Menschen, die du retten, lieben oder heilen wolltest, werden durch andere Menschen Unterstützung erfahren. So bitter diese Nachricht im ersten Moment vielleicht klingen mag, so befreiend ist sie, wenn du sie annimmst. Denn: Du wirst wieder mehr Zeit und Raum für dich selbst finden, wenn du das Gefühl loslässt, unentbehrlich zu sein. Das Leben wird leichter und du wirst dich mehr entspannen. Probier aus, wie sich das „Nein“ anfühlt, das du aussprichst, wenn ein Kollege dich bittet, „mal eben“ seinen Text gegenzulesen, obwohl du schon nach Hause gehen wolltest. Oder wenn du eine Yogavertretung einmal nicht übernimmst, weil du einfach Ruhe brauchst. Oder wenn du einer Freundin nicht mehr dein Ohr leihst und sie nicht mehr ihren ganzen „Müll“ bei dir abladen kann.
Akzeptiere, dass sich alles ständig verändert
Wir kämpfen häufig gegen das Leben und gegen das, was ist. Wir haben bestimmte Vorstellungen vom Leben und wünschen uns, dass es so verläuft, wie wir es gerne hätten. Wir möchten, dass die schönen Ferien nie aufhören, ein besonders schönes Yogaretreat ewig dauert und der Mensch in den wir uns irgendwann einmal verliebt haben, immer bei uns bleibt. Wir sind vom Leben aufgerufen, anzunehmen, dass alles einer permanenten Veränderung unterliegt. Wenn wir loslassen und flexibel auf die sich ständig verändernden Anforderungen reagieren und mit dem Moment gehen, dann werden wir freier und glücklicher.
Wenn du dir diese drei Punkte zu Herzen nimmst, du es den Bäumen im Herbst gleich tust und ein paar Vorstellungen über dich und das Leben loslässt, dann wird dein Leben leichter. Dann wirst du wieder mehr Zeit für dich finden und auch mehr Raum für deine Yogapraxis haben, die dich zu deiner Quelle zurückführen kann und dir zeigt, dass es nichts loszulassen gibt, weil alles Wesentliche bereits da ist.