Vom Umgang mit psychoaktiven Pflanzen im rituellen Kontext.
Schon in der Lieder-Edda, dem ältesten Teil der erhaltenen Schriften zur germanischen Mythologie, finden wir Hinweise auf den Gebrauch eines Rauschtranks, den die Götter „Odrörir“, den „Dichtermet“ oder den „Met der Begeisterung“, nannten. Auch in den Zau-bersprüchen des Rg-Veda wird ein Trank namens „Soma“ besungen. Kurz, es gibt keine alte Kultur, in der nicht Pflanzen und Pilzen gehuldigt wird, die uns die Möglichkeit geben, unser Bewusstsein zu erweitern und mit den Göttern, Ahnen und letztlich mit uns selbst in Kontakt zu treten. Rituelle Handlungen in der ganzen Welt werden begleitet von Rauschri-tualen, die nur ein Ziel haben: unsere Seele mit dem universellen Geist zu verbinden und über diesen Weg Heilung für uns selbst und andere zu finden. Deshalb wurde für diese speziellen Pflanzen und Pilze 1970 durch Gordon Wasson und Jonathan Ott der Ausdruck „Entheogene“ (“Gott in sich Tragende“) geprägt. Sogar im Christentum ist das Sakrament der Wandlung ohne Wein, die bacchantische Rauschpflanze, nicht zu bewerkstelligen. Die schamanischen Wurzeln sind allein durch den Umstand der Verwandlung von Brot in Fleisch und von Wein in Blut offensichtlich. Diese Veränderung der Wirklichkeit wurde ur-sprünglich mit dem Wort „Zauberei“ beschrieben. Zusätzlich ist die Rauschpflanze Wein ein deutlicher Hinweis auf vorchristliche spirituelle Rituale.
Die ursprüngliche Idee, dass Götter, Kristalle, Pflanzen, Tiere und Menschen als Teile ei-nes in sich gleichwertigen Gewebes, der Natur, wahrgenommen werden, ging nach und nach verloren. Sie fiel der fortschreitenden Patriarchalisierung in fast allen Kulturen zum Opfer. Die heute so problematische Ausbeutung der natürlichen Resourcen und die damit verbundene Übervölkerung der Erde wurde nur durch hierarchische Strukturen möglich, die den Menschen und letztendlich das Männliche über alle anderen Wesenheiten stellte. Die Strukturen der alten Vorstellungen sind jedoch noch leicht erkennbar.
Klarheit und Rausch
In der „Marma-Chikitsa“ (Sanskrit: „Geheimnisbehandlung“), dem schamanistischen Teil des Ayurveda, gibt es die Unterscheidung von Klarheit und Rausch:
Die Klarheit wird dem „Vater im Himmel“ mit den Aspekten des freien Raums zur Entwick-lung, ohne Be- und Verurteilung, zugeschrieben. Er ist nicht freundlich, aber auch nicht unfreundlich. Seine Energie wird im Sitzen oder im Stehen (vertikal) und bei Tageslicht am besten wahrgenommen.
Der Rausch ist verbunden mit „Mutter Erde“, der Sexuellen, Lustvollen, Hingebungsvollen, Fruchtbaren und Nährenden. Sie gebiert den Körper aller […]