Jetzt steht sie wieder an: die magische Zeit „zwischen den Jahren“. Mit der Wintersonnenwende kommt das Licht langsam wieder zurück, jedoch beginnt kurz nach den dunkelsten Nächten im Jahr eine ganz mystische Zeit, in der seit jeher ein reiches Brauchtum gepflegt wurde.
Es gibt wenige Nächte, denen im europäischen Raum so viel Bedeutung und Magie zukommt wie den Rauhnächten. Vom 1. Weihnachtstag bis zum Dreikönigstag am 6. Januar öffnen sich wieder die Grenzen zwischen der Welt der Menschen und der Welt des Übersinnlichen. Es öffnet sich ein Tor in eine Welt jenseits von Raum und Zeit, eine Welt, die uns aufzeigt, was uns das neue Jahr bescheren kann.
Was sind die Rauhnächte?
Die Ursprünge der Rauhnächte sind vielfältig; ihre Wurzeln reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück, sie entstammen der germanischen und keltischen Tradition. Damals wurden in bestimmten Regionen Haus und Hof geräuchert, um böse Geister zu vertreiben und das Haus für das neue Jahr zu reinigen. In der vorchristlichen Zeit glaubte man, dass böse Mächte den Menschen schaden wollten. Es gab mitunter auch Prozessionen mit furchteinflößenden Masken, um die bösen Mächte zu vertreiben. Auch wurde es als eine Zeit betrachtet, in der Orakel, die Beschwörung von Geistern und Weissagungen eine große Rolle spielten. Man wollte Einblicke in eigene Zukunft erhalten.
Wie sind die Rauhnächte entstanden?
Vermutlich kam es dazu, da der germanische Kalender zwischen Mond- und Sonnenjahr wechselte. Während das Mondjahr aus 354 Tagen besteht, sind es beim Sonnenjahr 365 Tage. Sprich: Es gab eine Differenz von elf Tagen bzw. zwölf Nächten. Genau hierbei handelt es sich um diese besondere Zeit „zwischen den Jahren“, um die „Heiligen Nächte“, in denen die Grenzen zu anderen Welten wegfallen.
Rauhnächte: Übergänge bewusst erleben
In der heutigen Zeit sind die Rauhnächte vor allem von Mystik und spiritueller Tiefe geprägt. Die Zeit um den Jahreswechsel stellt einen besonderen Übergang dar und indem wir Übergänge bewusst erleben, hilft es uns dabei, Altes abzuschließen und uns auf Neues einzulassen.
Die Rauhnächte sind beinahe wie die kleine Pause der Stille zwischen zwei Atemzügen, nur eben viel ausgedehnter. Die gesamte Zeitspanne bewusst zu erleben, kann deshalb etwas sehr Bereicherndes haben. Die meisten von uns können sich freinehmen, haben mehr Zeit für sich oder um mit den Liebsten zusammenzukommen. Auf jeden Fall ist es dann deutlich einfacher, mal nicht erreichbar und offline zu sein. Diese besonderen Nächte sind die Gelegenheit, selbst mal aus dem Rahmen des Gewohnten zu fallen oder sich dem zu widmen, was das Jahr über zu kurz kam.
Christine Dohler
Passend zur aktuellen Zeit haben wir mit Christine Dohler ein Kurzinterview zu dem Thema weibliche Weisheit der Rauhnächte geführt.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Was heißt weibliche Energie für dich?
Christine Dohler: Damit verbinde ich vor allem die Aspekte Intuition, Schöpferkraft und Sinnlichkeit. Und die Fähigkeit der Hingabe. Die weibliche Energie ist für mich unvergleichlich stark, weil sie Leben erschafft und weise ist, da wir alles Wissen intuitiv in uns tragen und mit Mitgefühl in die Welt bringen.
Warum ist die weibliche Energie so wichtig in den Rauhnächten und wir können wir uns mehr mit der Weisheit der weiblichen Kraft verbinden?
Empfängnis ist zum Beispiel ein weibliches Prinzip. Für viele Menschen sind die Träume in den Rauhnächten intensiver und sie empfangen dort Bilder und Informationen, die wie ein Kompass für das folgende Jahr sein können. Da wir während der Rauhnächte ein paar mehr freie Tage haben, ist es einfacher, ungeplant in den Tag zu flowen und sich mehr hinzugeben, als strukturiert zu sein. Weil die Welt allgemein zur Ruhe kommt, ist es auch einfacher, über alle Sinne die Zwischentöne wahrzunehmen, die im Alltag zu kurz kommen. Dazu gehört zum Beispiel die innere Stimme.
Wie können wir uns auf die Rauhnächte einstimmen?
Das ist eine gute Frage. Dazu habe ich einen ganzen ersten Teil in meinen Rauhnächte-Büchern verfasst. Wir können uns einstimmen, indem wir schon einmal so viel wie möglich alten Ballast loslassen und noch ein paar Dinge abschließen sowie erledigen, die wir nicht ins kommende Jahr schleppen wollen. Außerdem können wir uns schon einmal einen gemütlichen Ort in unserem Zuhause einrichten … mit Tagebuch, Räucherwerk, Büchern zu den Rauhnächten, Meditationskissen, Kartensets etc., damit wir zum Start am ersten Weihnachtstag alles bereit haben. Ich versuche, mir keinen Stress zu machen, aber ich sorge dennoch dafür, dass mein Haus schön und ordentlich ist, damit ich nicht das Gefühl habe, irgendetwas während der Rauhnächte machen zu müssen. Achja, was auch gut ist: Autoresponder für Mails einstellen.
Magst du uns dein liebstes Ritual für die Rauhnächte vorstellen?
Ein sehr beliebtes und einfaches Ritual ist es, sich 13 Wünsche auf einzelne Zettel zu schreiben, diese in ein schönes Gefäß zu legen und jeden Tag einen Wunsch zu ziehen, um ihn zu verbrennen. Die Wünsche sollten positiv formuliert sein und schon so, als wären sie bereits Wirklichkeit geworden. Der 13. Wunsch bleibt dann nach 12 Nächten übrig und den darf man sich selbst erfüllen.
Wie können uns die Rauhnächte in der aktuellen Zeit Halt geben?
Eine Zeit der Ruhe erlaubt uns, unsere Batterien wieder aufzutanken und ganz bei uns selbst anzukommen. Ich finde in der Zeit immer neues Vertrauen in das Leben und erde mich im Moment. Generell ist es auch so, dass bewusste Rituale uns Halt geben können. Das ist nicht zu verwechseln mit lästigen Alltagsroutinen, sondern es sind eben die bewussten Rituale, die wir uns für die Zeit vornehmen wie das 13-Wünsche-Ritual oder Tagebuchschreiben. Dabei sind wir präsent im Moment, kommen zu tiefen Erkenntnissen und wir finden heraus, was uns wirklich ist. Das ist sehr bestärkend und Halt gebend.
Vielen Dank für deine Antworten, Christine.
Weitere Inspirationen und Rituale findest du in dem Buch Die weibliche Energie der Rauhnächte (erschienen im Goldmann Verlag).
Christine Dohler hat Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg studiert und wurde an der Henri-Nannen-Journalistenschule ausgebildet. Sie ist Textchefin der Emotion Slow und schreibt für die FAS, Die Zeit, das SZ-Magazin, Emotion, Brigitte und Flow. Außerdem ist sie ausgebildeter systemischer Coach und Meditationstrainerin. Christine Dohler lebt in Hamburg, wo sie Meditationskurse sowie Cacao-Rituale anbietet. www.christinedohler.de
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