Mythos und Wirklichkeit: Am Rande der Welt, vor den Blicken Unbefugter geschützt durch silberweiße Nebel, liegt die Insel Avalon – jene sagenumwobene Apfelinsel, die dem Reich der keltischen Anderswelt angehört.
Die Wunderinsel Avalon, auf die König Artus nach seinem Tode entrückt wurde, gehört wie Shambhala, Agharti, Asgard, der Olymp, der Berg Meru und die Insel der Hyperboreer zu jenen mythischen Orten, die man auf keinem Weltglobus, sondern nur auf einer Landkarte des menschlichen Bewusstseins finden kann. Es sind Paradiese, Märchenwelten, Zauberreiche und – in einem gewissen Sinne – auch übersinnliche Realitäten. Die Insel Avalon liegt fern im Westen, am Rande der Welt, wo allabendlich in goldstrahlender Pracht die Sonne untergeht. Insula Avalonia oder die Apfelinsel wird sie auch genannt, und die Sage geht, dass neun Schwestern, geführt von Morgaine le Fay, über die Gestade dieser Insel der Glückseligen herrschen sollen.
Avalon, geheimnisvoll und von dichten Nebeln umschleiert, ist keine geographische Insel wie das einstige Atlantis, sie gehört weder zur Azoren-Gruppe noch zu den Färöer-Inseln, sondern in das Reich der keltischen Anderswelt. Die Apfelbäume, die dort wachsen, entspringen zauberischer Macht, und die Früchte daran verheißen ewiges Leben. Es sind die berühmten Äpfel der Unsterblichkeit, die auch in der griechischen Mythologie auftauchen. Man denkt hier an Hesiods „Inseln der Seligen“ im Okeanos, wo – von Hesperiden gehütet – jene Äpfel des ewigen Lebens wachsen, die Herakles herbeizuschaffen beauftragt war.
König Artus, ein Sonnenheld wie Herakles, tritt mit seiner Fahrt nach Avalon eine Jenseitsreise an. In der Kapelle von Glastonbury, kurz vor seinem Ableben, spricht er die folgenden Worte: „Dort, hinter den Wogen, liegt Avalon, die blühende Insel. Und ich will nach Avalon fahren, wo kein Hagel fällt, und die Winde schlafen, und die Wiesen sich breiten bis hinunter zur Sommer-See, dorthin, wo Friede ist und das Glück. Dort wohnt die schönste aller Königinnen, Argante, die Fee. Sie wird meine Wunden heilen, und ich werde liegen und warten auf einer goldenen Bank. Dereinst will ich wiederkommen zu meinem Königreich und mit meinen Briten wohnen in Frieden und Glück.“1
Der ausführlichste Bericht über Avalon stammt von dem britischen Chronisten Geoffrey of Monmouth (etwa 1100–1154), einem walisischen Abt normannischer Herkunft, dem wir weithin die Überlieferung der König-Artus-Sage zu verdanken haben. Avalon bedeutete für die keltischen Briten so viel […]