Wie sollte man auf dem spirituellen Weg mit dem Ego umgehen? Was genau ist damit überhaupt gemeint, und gibt es so etwas wie ein „gesundes Ego“?
Das Ego – nur wenige andere Aspekte des Lebens haben sowohl in westlichen als auch in östlichen religiösen und spirituellen Gemeinschaften einen solch schlechten Ruf. Im Buddhismus wird der Buddha vom Dämon Mara verführt, diesem „Erz-Schurken“ namens Ego und seinen Wünschen nachzugeben, sich ihm ganz zu unterwerfen. Für den Buddha ist der ultimative Sieg über die Kraft, die das Ego erzeugt – und damit „das, was Leiden verursacht“, das letzte Ereignis, das den Weg in die ultimative Befreiung ebnet. Auch Jesus wird in sehr ähnlicher Weise versucht, bevor er in der Welt wirken kann. Satan offeriert ihm alle Macht über die Welt – es geht um die existenzielle Entscheidung: entweder das Reich der Befriedigung der Wünsche des Ego im Außen, oder das Verwirklichen des Reichs Gottes im Innern.
So viel Drama, und auch heute noch stellt sich uns die Frage: Welchen Grund sollte es geben, unser Ego zu überwinden, oder gar zu bekämpfen, wie es einige spirituelle Strömungen anstreben? Und wie gelingt das?
„aham … idam“ – „Ich bin …[all] das“
Wir kennen „Ego“ aus dem Lateinischen als „Ich“. Das ist der Aussichtspunkt, von dem aus wir auf uns und auf Alles-was-ist schauen. Von hier ausgehend setzen unsere westliche Philosophie und Religion den Menschen, seinen Geist und sein Ego gleich und stellen ihn als solchen in den Mittelpunkt der Welt.
Schauen wir nun nach Osten, dann lernen wir einen Blick auf die Welt kennen, der den Standpunkt, von dem aus Wahrnehmung geschieht, fundamental verschiebt. Eines der bekanntesten Sanskrit-Mantras lautet: „aham … idam“, was übersetzt werden kann mit „Ich bin …[all] das“. „a“ ist der erste und „h“ der letzte Buchstabe im Sanskrit-Alphabet. Das Alphabet der Laute ist aus indischer Weltsicht die Matrix, aus der sich das Universum zusammensetzt. Vergleichbar würden wir im Westen sagen: Der Mensch ist alles, von A bis Z.
Dabei gelingt es dem Ego nur zu gut, den Blick auf das „A lles“, auf das große Ganze, zu verstellen – indem es uns nämlich nur das sehen lässt, was in seine Agenda passt; indem es die Sicht auf das beschränkt, […]