Mohandas Karamchand Gandhi war wohl einer der faszinierendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Bekannt machte ihn das Konzept des gewaltlosen Widerstandes. Von vielen Menschen wird Gandhi auch heute dafür noch sehr verehrt. Andere Menschen hingegen klagen ihn wegen manch radikaler Haltung an, was deutlich macht: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. An dieser Stelle soll sein Licht in den Vordergrund gestellt werden.
Als vor kurzem das Buch Wut ist ein Geschenk. Das Vermächtnis meines Großvaters Mahatma Gandhi erschien, habe ich das Hörbuch dazu verschlungen. Es war sehr spannend, von Arun Gandhi, dem Enkel des Inders, zu erfahren, wie er das Charisma seines Großvaters persönlich erlebte. Ein wirklich interessantes (Hör-)Buch, das einen umfassenden Einblick in das Leben Gandhis liefert.
Geburt einer großen Seele
Geboren wurde Mohandas Karamchand Gandhi am 02.10.1869 in Gujarat/Indien. Gandhis Familie war seit Generationen sehr angesehen und stellte die Minister in den Kleinstaaten des indischen Westens. Sein Vater war sogar zeitweise Premierminister des Fürstentums Porbandar, das unter britischer Oberherrschaft stand. Seine Mutter, eine Anhängerin des Jainismus die sehr religiös war, prägte Gandhi und seinen Bezug zur Gewaltlosigkeit bereits sehr früh. Im Jainismus ist der Fleischverzehr strikt untersagt, um dem Prinzip der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) auch wirklich gerecht werden zu können. Aber auch regelmäßiges Fasten sowie Toleranz gegenüber allen Glaubensrichtungen und Religionen zählen zu den Tugenden im Jainismus und stehen maßgeblich für die Werte, die Gandhi durch seine Mutter so früh kennenlernte und später so konsequent verfolgte, dass er dadurch Indien in die Freiheit führte.
Kindheit und Jugend
Bereits als 7-Jähriger wurde Monio, wie Gandhi als Kind gerufen wurde, mit der gleichaltrigen Kasturbai Nakanji verlobt, heiratete sie 5 Jahre danach und hatte mit ihr später vier Kinder. In der Schule war er nicht besonders gut, fiel aber durch seine starke Religiosität auf. Er studierte Jura und setzte sich während des Studiums intensiv mit der Bhagavad-Gita auseinander. Diese sollte bis an sein Lebensende eine immerwährende Inspiration für ihn darstellen. Kurz nach seinem Tod im Jahre 1948 machte man ein Foto von seiner gesamten Habe: seinem schlichten, weißen Baumwollumhang, seiner Brille, seinen Sandalen und einem abgegriffenen Exemplar der Bhagavad-Gita. Es heißt sogar, dass er täglich in ihr las. Nach seinem Studium wurde er in London als Rechtsanwalt zugelassen, kehrte jedoch nach Indien zurück und lies sich in Bombay als Anwalt nieder.
Gandhis politische Ideale
In Indien hatte Gandhi beruflich keinen Erfolg, so dass er eine Stellung in Südafrika annahm, wo er als Mensch zweiter Klasse behandelt wurde. Diese Erfahrung machte er immer wieder und wurde sogar körperlich mehrfach attackiert. In Südafrika spiegelte sich sein zutiefst innewohnender Wunsch nach Recht und Gleichberechtigung erstmals in der Organisation von Widerständen gegen die Diskriminierung der indischen Einwanderer in Südafrika wider.
Die negativen Erfahrungen, die Gandhi in Südafrika gemacht hatte, führten dazu, dass er den Natal Indian Congress (NIC) mitgründete. Als ehrenamtlicher Generalsekretär des NIC entwickelte er seine politischen Ideen, die sich an zwei Werten orientierten:
- Ahimsa: Gewaltlosigkeit in Wort und Tat sowie passiver Widerstand
- Satyagraha: Der Fähigkeit, die eigene Kraft aus Wahrheit und Liebe zu schöpfen
Gandhi kehrte im Jahre 1896 für ein halbes Jahr nach Indien zurück, um dann gemeinsam mit seiner Familie nach Südafrika zurückzukehren, wo er sich trotz seiner Ehe entschloss, ständige sexuelle Enthaltsamkeit, Brahmacharya, zu leben.
Mit Gewaltlosigkeit zum Erfolg
Die folgenden Jahrzehnte im Leben Gandhis waren durch seine politischen Aktivitäten geprägt. Als sich nach dem Zulu-Aufstand von 1906 alle in Südafrika immigrierten Inder bei den Behörden melden und mit Fingerabdrücken registrieren lassen sollten, organisierte er den passiven Widerstand der Inder, obwohl auf Zuwiderhandlung dieser Anordnung Deportation oder Gefängnis stand. In dem Film Gandhi werden diese und viele andere Szenen seiner Aktivitäten sehr eindrucksvoll dargestellt: 3000 Inder versammelten sich unter Gandhis Leitung und schworen, dem Erlass keine Folge zu leisten. Gandhi selbst wurde wegen Missachtung der Anordnung verhaftet. Sein Protest war jedoch erfolgreich und führte dazu, dass die Briten die Pflicht zur Registrierung aufhoben.
Im Gefängnis wurde er erstmalig von Schriften Leo Tolstois inspiriert, der sich ebenfalls intensiv mit dem passiven Widerstand beschäftigte. Von ihm wurde Gandhi stark beeinflusst und er nannte seinen ersten Ashram im Jahre 1910 „Tolstoi-Farm“. Gandhi blieb nach seiner Freilassung noch bis 1915 in Südafrika und organisierte dort fortlaufend passive Widerstände – er kam insgesamt achtmal ins Gefängnis.
Rückkehr nach Indien
Bei seiner Ankunft in Indien wurde Gandhi stürmend von seinen Landsleuten begrüßt von fortan als Gandhiji bezeichnet, was so viel wie „der Ehrenwerte“ bedeutet. Hier setzte Gandhi sich bis zu seinem Tod gegen die Vorherrschaft der Briten ein. Er wünschte sich außerdem einen indischen Staat, indem Moslems und Hindus in Einheit zusammen leben, was, wie sich später zeigte, leider ein unerfüllter Wunsch blieb.
Im Hinblick auf seinen Widerstand gegen die britische Vorherrschaft war sein Handeln besonders beeindruckend und wirksam. Er forderte seine Landsleute auf, sich wieder in traditioneller Kleidung zu kleiden und englische Waren zu boykottieren. „Non-Cooperation“ nannte er diese Politik gegenüber den Engländern und ermahnte die Inder: „Be Indian, buy Indian“. Symbolisiert wird diese Haltung durch ihn, wie er an einem Spinnrad sitzt und Wolle für einen Dhoti spinnt. Dieser Boykott der englischen Wirtschaft brachte Gandhi weitere sechs Jahre Haft ein, aus denen er allerdings nach zwei Jahren wegen schlechter Gesundheit entlassen wurde.
Obwohl Gandhi im Laufe der folgenden Jahre durch zahlreiche gewaltlose Taten im Jahre 1947 die Unabhängigkeit Indiens von den Engländern erreichte, kam es zu einem hinduistischen Indien und einem islamischen Pakistan. Für Gandhi selbst war diese Teilung eine große Niederlage und ein großer Schmerz, wie sein Enkel Arun Gandhi in dem Buch Wut ist ein Geschenk erzählt.
Gandhis Lebensende
Aufgrund anhaltender Gewalttaten zwischen Moslems und Hindus versuchte Gandhi, die Streitigkeiten mit Fasten zu beenden, allerdings erfolglos. Am 30. Januar 1948 wurde er schließlich von einem fanatischen Hindu auf dem Weg zu einer abendlichen Gottesversammlung, die eigentlich der Versöhnung der unterschiedlichen Religionen dienen sollte, erschossen.
Warum ein Mensch, der sich so der Gewaltlosigkeit verschrieb, von einer tödlichen Kugel getroffen wurde, bleibt ein kosmisches Geheimnis.
Zum Weiterlesen:
Arun Gandhi: Wut ist ein Geschenk. Das Vermächtnis meines Großvaters Mahatma Gandhi, DuMont 2017.