Eine kritische Annährung aus buddhistischer Perspektive: Der eigenen inneren Weisheit vertrauen, anstatt in blindem Gehorsam anderen folgen – das riet der Buddha schon im Kalama-Sutta.
Im berühmten Kalama-Sutta1 erinnert uns der Buddha daran, dass wir letztendlich nur unserer eigenen Erfahrung von Realität vertrauen sollen; und nicht dem, was von anderen gesagt wird.
Thanissaro Bhikkhu
Wir leben in einer Zeit, in der uns eine unvorstellbare Fülle an Möglichkeiten zur Verfügung steht. Es liegt an uns, ob wir das als segensreiche Chance nutzen oder uns darin perspektivlos verlieren. Unsere Eltern und Großeltern haben noch in den engen, aber sicheren Bahnen von Traditionen und Normen gelebt. Konsumgüter und Lebensmöglichkeiten der Kriegs- und Nachkriegsgeneration waren überschaubar und klar definiert, und es gab weder Computer oder Smartphones noch Suchmaschinen, die innerhalb von Sekunden jede Frage tausendfach beantworten konnten.
In religiöser Hinsicht war die Situation nicht anders. Man wusste wenig über andere Religionen und spirituelle Praktiken. Jene Glaubenssätze – und die damit verbundenen Hoffnungen und Ängste –, die viele Jahrhunderte unsere Kultur geprägt haben, verblassen und verlieren zunehmend an Bedeutung.
Essenzielle Fragen
Sind wir heutzutage durch die Menge an abrufbarem Wissen und Umsetzungsmöglichkeiten besser dafür gewappnet, einen passenden spirituellen Lehrer oder die richtige Lehre zu finden? Nach welchen Kriterien entscheiden wir, wenn wir uns auf gewisse esoterische, spirituelle oder körperorientierte Unterweisungen einlassen? Können wir wirklich immer richtig einschätzen, ob bestimmte Glaubenssätze und Unterweisungen unser Leiden reduzieren und uns in eine glücklichere Zukunft führen?
Zahlreiche Skandale in allen Traditionen
In den letzten Jahren sind in (fast) allen religiösen und spirituellen Kreisen zunehmend Missbrauchsvorwürfe gegenüber Lehrern, Meistern, Mönchen, Priestern und anderen spirituellen Gestalten an die Öffentlichkeit geraten. Dieser beunruhigende Anstieg hat sicherlich mit der modernen Medienwelt und deren lauffeuerartigen Verbreitung von Fakten und „Fake-News“ zu tun. Gesagtes und Gesehenes – egal wie verschleiert, brutal und inakzeptabel – kann sich innerhalb weniger Klicks über den ganzen Planeten verbreiten.
Es braucht also nicht viel, um Idole vom Sockel zu stoßen, Schwätzer zu entlarven und Täter zu Opfern zu machen – und Opfer können genauso schnell zu Tätern werden. Mit dieser unberechenbaren Informationsgeschwindigkeit scheint sich auch das karmische Rad schneller zu drehen. Der von Bob Marley 1973 verfasste Songtext deutete schon damals auf diese Trendwende hin: „You […]