Yogis kennen die Kraft der Klänge und wissen von ihrer besonderen Wirkung auf Körper und Geist. Gerade das in Yogastunden viel getönte Mantra OM genießt hierbei einen besonderen Stellenwert. Eine Reise in die Welt der Mantras führt uns zu unserem Ursprung und verbindet uns mit dem gesamten Kosmos.
Du kennst das: Zu Beginn und zum Abschluss einer Yogastunde ergeht die Einladung des Yogalehrers, gemeinsam die Stimme zu erheben. Für manche ist es ein geliebter Teil der Praxis, für andere kommt das Chanten eher mit ein wenig Skepsis und vielleicht auch etwas Scham daher. Ob du nun schon lange tönst oder dein erstes OM vielleicht noch Zukunftsmusik ist, dieses vedische Mantra – so simple, und doch so subtil – verdient unsere besondere Aufmerksamkeit.
Aber zunächst noch mal von vorne: Wovon sprechen wir überhaupt, wenn wir das Wort Mantra gebrauchen? Ein Mantra kann eine Silbe, ein Wort oder auch ein Vers in Sanskrit sein, einer der ältesten Sprachen der Menschheit, die uns in einen meditativen Zustand führen kann. Auf Sanskrit sind die bedeutenden Quellentexte verfasst, die den Yoga behandeln, wie die Vedas, die Upanishaden, das Yogasutra von Patanjali, die Bhagavadgita oder die Hathapradipika.
Es heißt, dass die Rishis oder Seher die Sanskrit-Mantras in tiefer Versenkung empfingen, und dass die überlieferten Worte die Schwingung des göttlichen Urklangs in sich tragen. Manche Mantras sind dabei so potent, das sie lange geheim gehalten wurden und werden. Die Übersetzung des Wortes Mantra macht deutlich, dass es uns als Hilfsmittel dienen soll: es bedeutet „Werkzeug des Denkens“ oder auch „das, was das Denken übersteigt“. Wenn wir ein Mantra nutzen, hilft es uns, uns wieder mit der höheren Wahrheit und mit unserem höchsten Selbst zu verbinden. Denn jeder Mensch, jedes Tier, jeder Baum, Stein oder Fluss besteht aus Schwingungen, aus Energien. Wenn ein Mantra auf die richtige Art und Weise getönt wird, dann schwingt die entstehende Vibration auf der Frequenz der Natur.
Heilige Ursilbe
Die Universalität und Unvergänglichkeit eines Mantras wird in Bezug auf das OM in der Mandukya-Upanishad herausgestellt, in dem es das erste Mal seine Erwähnung findet: “Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, alles was war, alles was ist, alles was sein wird ist OM.“ Das OM – oder AUM – setzt sich eigentlich aus vier Elementen zusammen, nämlich aus A U M und Stille bzw. einem Nachklang. Sie spiegeln die vier grundlegenden Bewusstseinszustände (Avastha) des Menschen wider: Wachzustand, Traumzustand, Tiefschlaf und einen „vierten Zustand“, nämlich reines Bewusstsein.
Auf der physischen und auch subtilen Ebene hat das Mantra OM eine kraftvolle Wirkung. Der Klang versetzt den Körper in harmonische Schwingungen, die beruhigend auf das Nervensystem wirken und somit helfen können, Stress abzubauen. Außerdem fokussiert und beruhigt das Chanten den Geist, weshalb das OM auch oft in der Meditation verwendet wird. In einer Yogastunde kann das Tönen des Mantras außerdem ein symbolisches Ritual darstellen. Es kann als der Beginn der besonderen Zeit betrachtet werden, in der sich sowohl Lehrer als auch Schüler vom oftmals hektischen Alltag abgrenzen und mit Achtsamkeit den Blick nach innen richten.
OM richtig chanten
Prinzipiell kannst du das Mantra immer und überall tönen – auch im Geiste. Wenn du dich jetzt bewusst darauf fokussieren magst, geh wie folgt vor:
- Setz dich aufrecht entweder auf den Boden in den Schneidersitz oder auf einen Stuhl, ohne die Rückenlehne zu nutzen. Deine Handflächen können auf deinen Oberschenkeln ruhen, gerne kannst du auch mit den Händen die Chin-Mudra einnehmen.
- Schließ die Augen, entspann deine Gesichtszüge und nimm in dieser Position zunächst einige tiefe Atemzüge.
- Das AUM wird immer mit der tiefen Ausatmung getönt – phonetisch „awe“ – „ooh“ – „mmm“ – Stille. Das Mantra steigt mit dem „awe“ langsam hinauf aus dem Bauchraum, wandert mit dem „ooh“ weiter hoch zum Herzen und fließt schließlich mit dem „mmm“ in den Kopf, bevor es in der Stille versinkt.
- Wiederhole das Mantra einige Male und spür dann für einen achtsamen Moment nach, wie die Schwingungen deinen Körper erfüllen.
Du musst weder spirituell noch religiös sein, um das OM zu tönen. Du kannst seine Kraft aber nur erfahren, wenn du es anwendest und nicht nur darüber liest. Probier es aus und lass die Kraft des Yoga auf dich wirken. OMMMmmm …