Der maßvolle Umgang mit Spannung ist gerade heute, da im populären Yoga häufig das Effizienzmaximum als erstrebenswert gilt, ein äußerst bedeutendes Thema. Wahre Entspannung ist ein fortgeschrittener und bewusster Zustand, der zu tiefer Versenkung und spannenden Selbsterkenntnissen führen mag.
Praktiziere ich, um mich kennenzulernen, oder um mich zu bestätigen? Will ich herausfinden, was mich ausmacht und wer ich bin, oder will ich mich als denjenigen darstellen, der ich sein will? Lösen sich die Fragen im Prozess des Yoga auf, oder stolpere ich ständig über neue Antworten? Entspannt oder erschöpft sich der Körper? Beruhigt oder erregt der Atem sich? Das eine führt zu Lösung und der Stabilität, Unsicherheiten auszuhalten, das andere zu Überzeugung und sichernder Selbstdarstellung.
Es ist schwer, über das Wort „Entspannung“ zu schreiben, ohne auf Füße zu treten, da es eine beachtliche Reichweite im Gebrauch seiner Bedeutung hat, von Schnarchen bis Samadhi quasi, und somit höchst unterschiedlich empfunden und eingestuft wird. Es ist ein weiter und ein weit unterschätzter Begriff mit vielen Facetten, und der Umgang damit erfordert eine Wertschätzung, die in unserer effizienzorientierten Zeit keineswegs selbstverständlich ist. Es geht um Spannung und den maßvollen Umgang mit ihr. Spannung ist das, was das Leben interessant macht, die Glühbirne aufleuchten lässt, die Lunge vor dem Kollaps bewahrt und uns sowohl ent- als auch verspannt; Spannung im rechten Maß – spannend.
Um den Sachverhalt zu verdeutlichen, bediene ich mich einer zugespitzten Darstellungsweise, die weder wertend noch zynisch gemeint ist, sondern durch Kontrast verdeutlichen und die Lage auf den Punkt bringen will. Es ist nur zu menschlich, wie es ist, und etwaiges Fußgetrete bitte ich im Voraus zu entschuldigen.
Erschöpfung versus Entspannung
Entspannung ist so schwer und wenig aushaltbar, weil sie nicht attraktiv genug ist. Sie formt sich nicht nach unseren Wünschen und bietet zu wenig Sichtbares und Erreichbares. Unserer Zeit entsprechend, gilt auch im populären Yoga die Effizienz-Maxime. Gesucht werden der exoterische Muskelkater eines intensiven Workouts, die esoterische Wohlfühlfantasie einer elaborierten Vorstellung oder der schwindelnde Adrenalinrausch konstanter Überatmung (vor lauter Respiration erstickt der Atem). Verkörperlichte, vergeistigte oder veratmete Erschöpfung versus Entspannung.
Dass die Asana-Praxis tatsächlich in Shavasana kulminiert und Entspannung den halben Weg zur Meditation ausmacht, wie ausdrücklich in der Literatur betont, hört man zwar oft nachgesprochen, […]